Bindungsangst und Zukunftsentscheidungen

Acedia

Neuer Benutzer
26. Mai 2011
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Hallo liebe Community.

Tut mir Leid, dass ich mich anmelde und direkt ein Thema starte, aber langsam drehe ich durch. Ich versuche mich in der Schilderung meiner Situation kurz zu fassen und hoffe, jemand von euch hat eine Antwort für mich.

Kurz zu meiner Person:

Ich bin 22 Jahre alt und habe gerade mein erstes Orientierungsstudienjahr abgeschlossen. Ich muss mich also nun entscheiden, was ich letztendlich studieren möchte.

Mein Traumstudium wäre in dieser Stadt, in der ich mit meinem Freund wohne, doch leider ist die Chance, dort hinein zu gelangen, sehr gering. (Begrenzte Studienplätze, schwierige Zulassungsprüfung)

Ein wirklich gutes Alternativstudium wäre auf der anderer Seite Deutschlands zu finden - Also sehr weit entfernt von meinem Freund...

Zu uns:

Wir sind nun knapp 7 Monate zusammen und haben es van Anfang an sehr ruhig verlaufen lassen. Ich selber leide unter recht ausgeprägten Bindungsängsten. Ich hatte schon Probleme, mich wirklich auf die Beziehung einzulassen und mache mir immer und ständig Gedanken. Ich habe große Angst, ihm zu vertrauen und ich selber zu sein, aus Angst, er erkennt, was für ein menschliches Wrack ich bin und verlässt mich.

Er selber ist nicht frei von Vorbelastung: Aufgewachsen bei mehreren Pflegefamilien hat er nie die echte Bindung an einen Menschen kennen gelernt. Direkt ist das kein Problem für uns, mich oder ihn, aber es schlägt sich schon deutlich in der Beziehung nieder.

Wir verbringen viel Zeit in seiner WG, obwohl ich keine 10 Minuten weit weg wohne. Meistens verbringen wir 4-5 Wochentage zusammen und am Wochenende leben wir fast so, als wäre es unsere alleinige Wohnung (seine Mitbewohnerinnen fahren dann nach Hause). Wir lachen zusammen, toben, unternehmen Dinge, haben dieselben Freunde, gehen auf Partys, kochen, putzen, renovieren ...

Doch fühlt es sich manchmal mehr an wie eine Freundschaft. Wir reden nicht über unsere Gefühle - Er ist generell nicht der Typ, der das kann und will und ich habe einfach Angst. Großes Kuscheln ist kaum drin, nur manchmal beim Fernsehgucken und vor allem nachts und morgens.

Der Sex ist sehr "trocken" und ohne große Leidenschaft, doch generell stört mich auch das nicht.

Was mich stört ist, dass wir in so einer Schwebe stecken. Wir sind uns einig darüber, dass es etwas ernstes ist und wir solange zusammen bleiben wollen, wie möglich. Doch auf emotionaler Ebene findet kaum Weiterentwicklung statt - Wegen meiner Angst und seiner "Gefühlsblockade".

Nun kam es allerdings so, dass ich mich nun entschieden muss. Bleibe ich in der Stadt und studiere notfalls etwas, das nicht auf meinem Plan stand (also etwas, das nicht mein Traum war), oder gehe ich meinem Traum und Wunsch hinterher und gebe die Beziehung auf?

Ich fühle mich sehr wohl bei ihm, hatte vorher nie dieses Gefühl von Stabilität in einer Beziehung und glaube fast, ihn zu lieben. Da wir über sowas allerdings nicht sprechen, ist ein "Ich mag dich" alle 3-4 Wochen das Maximum.

Ich will gerne den Mut haben, mit ihm zu sprechen und mich ihm mitzuteilen, aber ich habe so große Angst...

Manchmal mache ich mir stundenlang Gedanken über uns und versuche dann, vorsichtig darüber zu reden. Doch er blockt manchmal ab und verletzt mich dadurch - Dann will ich mich am liebsten sofort trennen.

Er hat gesagt, er will nicht, dass ich gehe. Und ich will nicht gehen.

Aber ich habe Angst, einen Fehler zu machen. Indem ich bleibe.

Und ich habe Angst, einen Fehler zu machen, wenn ich gehe.

Und ich habe Angst, dass wir wirklich ernst werden und ich mich ihm öffnen muss. Was, wenn er dann doch geht?

Er kennt mich kaum, und doch sehr gut.

Ich weiß, das klingt alles wahnsinnig verworren und doch einfach. Warum reden wir nicht einfach miteinander?

Leider ist es nicht so einfach ....

hat jemand eine Ahnung, was ich gegen diese Angst tun könnte? Wie kann ich mit ihm reden, wenn er blockt?

Danke..

 
Liebe Acedia

Zuerst mal folgendes. Wenn dein Freund nicht gerne über seine Gefühle spricht (wie sehr viele Männer!) oder gar nicht über seine Gefühle sprechen kann und du ihn immer wieder dazu drängst, wirst du gar nichts erreichen. Er wird sich dir immer mehr verschliessen, je mehr du darauf bestehst. Auch er braucht offenbar Zeit sich zu öffnen, wie du. Du kennst das doch: Wenn du von jemandem unter Druck gesetzt wirst, klappts erst recht nicht. :)

Dafür, dass ihr zwei "vorbelastet" seit, klappt eure Beziehung in der Praxis ja schon mal ziemlich gut. Mach dir nicht zu viele Gedanken übers "Gefühlereden"! Was man tut zählt mehr, als was man sagt!

Zu deiner Zukunft:

Bedenke bitte, dass der berufliche Weg, den du zu beschreiten gedenkst, sehr wahrscheinlich den Rest deines Lebens beeinflussen wird. Auch wenn du mit deinem Freund gerne zusammen bist, hält das dein ganzes Leben? Unwahrscheinlich...

Auch wenn du mit deinem Freund noch Jahre zusammen bist, irgendwann kommt der Punkt, wo du bereust dein Studium nicht gewagt zu haben und dann ist es zu spät!

Du wirst noch viele tolle Menschen (und Männer) in deinem Leben kennelernen, aber du musst zuerst mal DEIN LEBEN leben.

Gruss

Grit

 
Die Angst, dass du dich deinem Freund wirklich irgendwann mal öffnen musst, brauchst du nicht zu haben - das ist ja auch der Grund, wieso du dich so wohl mit ihm fühlst: Weil Ihr nicht über Gefühle, Zukunft etc. redet.

Die Frage ist doch: Was willst du? Möchtest du versuchen, eine "richtige" und langfristige Beziehung aufzubauen, in der du deinen Gefühlen freien Lauf lassen kannst? Wenn ja, ist dein Freund wohl eher der Falsche. Es sei denn, Ihr würdet beschließen gemeinsam an Euch zu arbeiten. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass das ein langer und steiniger Weg ist, wenn man unter Bindungsängsten leidet.

Oder möchtest du lieber erst mal für eine gute Ausbildung in einem Studium, das dir Spaß macht und hinter dem du wirklich stehst, sorgen?

Ich glaube, du kennst die Antwort schon.

 
Du hast vor vielen Dingen Angst und machst dir über tausend Dinge Gedanken. So was wäre wenn?

Was du beruflich jetzt für eine Entscheidung fällst, beeinflusst vieles in deiner Zukunft. Wenn du die Möglichkeit hast, dein Traum-Studium zu machen, dann würde ich dies tun an deiner Stelle.

Ansonsten blickst du in einigen Jahren zurück und bereust es, dass du diesen Schritt nicht gewagt hast.

Mit deinem Partner kannst du ja offensichtlich nicht darüber reden, weil du dich dann auch öffnen musst. Aber längere Zeit kann dies doch auch keine Basis für eine Beziehung sein. Ich meine früher oder später müsst ihr euch beide öffnen.

 
Ganz klar: Studium geht vor. Du würdest es bereuen wenn du es nicht tust.