Ich brauche einen Spiegel

morgainelafay

New member
22. Sep. 2014
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Guten Tag, liebe Gleichgesinnte

Ich bin hier, weil die Antworten, die ich mir selber zu versuchen gebe nicht reichen.

Vor ungefähr zwei Jahren habe ich (40) im Internet einen Mann kennengelernt (50). Unser Gespräch verlief von Anfang an sehr spannend, intensiv und wir sendeten uns tagtäglich gut hundert Botschaften hin und her. Der Mann war unglaublich romantisch, sendete mir Schnappschüsse von überall her, liess mich mit ihm Musik hören, während er Auto fuhr und die Umgebung filmte. Wir kamen uns in Worten sehr schnell sehr nahe und unser Austausch war von einer unglaublichen Tiefe geprägt. Der Mann ist beruflich stark engagiert und ein Jahr zuvor hatte sich seine Ehefrau plötzlich von ihm getrennt. Die Trennung hatte ich unglaublich tief verletzt, weil er es nicht kommen sah und er kam/kommt mit der Situation schlecht zurecht. Aber dennoch hatte er wieder eine neue Partnerin, doch bezeichnet er ihre gemeinsame Beziehung als oberflächlich und unbefriedigend - dennoch brauchte er das Gefühl von Zugehörigkeit, irgendwo, um sich nicht komplett verlassen zu fühlen.

Ich muss dazu sagen, dass ich auch in einer Beziehung lebe, mein Partner und ich aber eine "offene" Beziehung leben. Ich will eigentlich da bleiben wo ich bin und ich hatte es diesem Mann immer auch so kommuniziert. Dennoch war unsere (bis dahin geschriebene) Geschichte so unglaublich intensiv, dass wir uns bald zu einem Treffen entschieden. Ich weiss nicht, was schlimmer war: die Angst, unsere Geschriebenes würde sich in der Realität nicht bewahrheiten oder eben genau das Gegenteil. Und so kam es, dass ich mich heftig in diesen Mann verliebte. Er nährte dieses Gefühl mit weiteren sehr romantischen Botschaften und auch Taten. Unser gegenseitiges Sehnen wurde immens und besonders bei mir wurde jede Sekunde, die ich ihn nicht sehen oder seine Mails lesen konnte unerträglich. Es entstand ein richtiger Sog. Ich begann, meine Stimmungen von ihm abhängig zu machen. Ich benahm mich wie eine Süchtige. Er hingegen schaffte es besser, sich abzugrenzen und - wie er mir sagte - das alles ging ihm näher, als er es vorhatte und er versuchte sich bewusst zurückzuhalten.

Als wir uns ein weiteres Mal treffen sollten, sagte er mir kurzfristig ab. Die Erklärung dafür: seine Partnerin wurde krank und er sollte sich um ihre Tochter kümmern. Ich war so unglaublich schockiert und gekränkt darüber, dass er nicht imstande gewesen war, unser Treffen wichtiger zu werten uns seiner Partnerin dafür eine Absage zu erteilen (zum Hüten eines Teenagers!) und warf ihm vor, dass dies eine ziemlich lausige Ausrede sei, während er mir entgegnete, dass ihm der Mut gefehlt habe, seiner Partnerin unter irgend einem Grund eine Absage zu erteilen. Er wäre diese "Situation" nicht gewohnt und ihn plage ständig das schlechte Gewissen. Ich war so unglaublich wütend und enttäuscht, dass er unserer Geschichte nicht den Vorrang eingeräumt hatte, dass ich mich daraufhin tagelang nicht mehr bei ihm meldete.

Nach einiger Zeit, als meine Wut und Enttäuschung etwas verflogen war, meldete ich mich bei ihm, entschuldigte mich und hoffte, dass wir wieder da anknüpfen konnten, wo wir aufgehört hatten. Aber es kam anders. Ab diesem Tag zog er sich zurück. Zwar gab es immer wieder intensive Momente, es kam zu weiteren Begegnungen, die wundervoll und intensiv waren, aber er öffnete sich mir vor allem im geschriebenen Wort überhaupt nicht mehr. Real ist er eher der zurückhaltende Typ, einer, der seine Gefühle nicht auf der Zunge trägt, sehr höflich und zuvorkommend ist aber auch extrem cool und unnahbar. Ich hielt ihm dies vor, verlangte von ihm, dass er wieder diese Seite von ihm zeigen sollte, die ich zu Beginn unserer Geschichte gezeigt hatte und dass ich den realen Menschen nicht ohne diese intime Seite an ihm nicht haben wolle. In den Phasen, die er sich mir wieder mehr zuwendete, hatten wir unglaublich schöne und sehr leidenschaftliche Momente. Wir verbrachten sie hauptsächlich bei stilvollen Dinners in schönen Restaurants, um uns dann mit tiefer Hingabe und intensiv zu lieben. Doch wenn ich ihm tags darauf eine Mail schrieb, mit der Bitte mir zu sagen, wie er fühlte oder wie es ihm ging, kam wenig bis gar nichts. Ich entzog mich ihm, schrieb ihm wochenlang nicht (aber er versuchte auch nicht, mit mir Kontakt aufzunehmen) um dann nach Wochen zusammenzubrechen und mich wieder bei ihm zu melden. Er nahm mich jedes Mal wieder auf, freute sich über den erneuten Kontakt. Einige Wochen war wieder alles in bester Ordnung und dann entzog er sich mir wieder. Er liess mich immer wieder wissen, dass er mich unglaublich anziehend fand - intellektuell und körperlich - aber dass er immer noch komplett "entrückt" sei seit dem schockierenden Ende seiner Ehe. Und dass sein berufliches Leben ihn so stark einnehmen würde, dass er einfach keine Zeit fände, sich bei mir zu melden. In seiner aktuellen Beziehung sei er alles andere als glücklich, aber eine Beziehung mit mir stehe ja nicht zur Diskussion, da ich selber in einer Partnerschaft lebe, die ich (das sagte und meinte ich auch) nicht aufzugeben bereit bin (weil wir kleine Kinder haben). Und so bliebe uns ja eh nichts anderes übrig, als eine leidenschaftliche Affäre.

Ich aber wäre weiter gegangen, hätte meine Situation überdenkt ... hätte er mir dazu nur genug Grund gegeben. Aber das tat er nicht. Irgendwann war meine Kraft aufgebracht und ich verliess ihn erneut. Das ist nun vier Monate her und noch immer leide ich täglich unter meinem Sehnen nach ihm.

Liebe Leute: wie schätzt ihr die Situation ein? Wäre er tatsächlich an mir interessiert gewesen oder wollte er mich nicht haben? Ist es nicht so, dass wenn man einem wirklich besonderen Menschen begegnet, man alles andere ausser Acht lässt und sich trotz allen Widrigkeiten einander wendet? Dass man nimmt, was man haben kann? Oder muss ich ihm tatsächlich diese Grösse attestieren, dass er meine Situation respektierte und sich vor allem um mich zu schützen nicht auf mich zubewegte? Kann eine Blockade (mittlerweile) drei Jahre andauern? Und wäre diese nicht hinfällig, wen man denkt, man hätte jemanden besonderen kennen gelernt? Und sollte ich jetzt weiter schweigen und meine innere Stimme ignorieren, die mir sagt, dass er und ich wirklich eine besondere Geschichte hätten werden können? Oder denkt ihr, es besteht eine Möglichkeit, dass er sich selbst nach Monaten wieder bei mir melden könnte?

Ich danke euch jetzt schon für eure Zeit und wünsche euch alles Liebe.

 
 Ist es nicht so, dass wenn man einem wirklich besonderen Menschen begegnet, man alles andere ausser Acht lässt und sich trotz allen Widrigkeiten einander wendet? Dass man nimmt, was man haben kann?
Sich alles nehmen ohne Rücksicht auf Andere? Bist du jetzt völlig auf dem Ego-Tripp?

hätte er mir dazu nur genug Grund gegeben.
Du hast ihm von Anfang an gesagt, dass du bei deinem Mann bleiben willst....

Aber das tat er nicht.
Er respektiert deine Aussage und zudem lebt auch er in einer Partnerschaft, die für ihn anscheinend nur oberflächlich ist, aber trotzdem wichtig genug, um dich nur als eine Affäre zu sehen. 

 die mir sagt, dass er und ich wirklich eine besondere Geschichte hätten werden können?
Du weisst nicht wie sich das Ganze entwickelt, wenn du wieder auf dem Boden angekommen bist und der Alltag da ist.

Irgendwie lebst du mehr in einer Traumwelt als in der Gegenwart und du projezierst ganz viele Wünsche und Sehnsüchte auf diesen Mann statt sie in deine Beziehung zu integrieren.

Ist dir dein Mann so gleichgültig, als dass du nicht nur das Sexuelle, sondern auch das Emotionale bei Anderen suchst?

 
Hallo Bergwelt

Danke für deine Antwort. Es ist schwierig, in einer Veröffentlichung wie dieser alle wesentliche Parameter einfliessen zu lassen, sonst wäre das ein endloser Roman. Wenn ich davon spreche, dass man sich "alles nimmt, was man haben kann", dann doch eher im Sinne von "man ist froh um jede Sekunde, die man miteinander teilen kann". Aber du hast recht, es war und ist eine Traumwelt aus die ich nicht mehr herausfinde. Und du hast auch recht, dass ich in seinem Lebe trotz allem nicht wichtiger als eine "Affäre" bin.

Was die Beziehung zu meinem Partner angeht: wir sind eigentlich nicht mehr zusammen aber wir verstehen uns wunderbar und wir sind und bleiben Eltern unserer Kinder. Wir haben uns versprochen, solange beieinander zu bleiben, bis es für einen von uns beiden einen triftigen Grund gibt, das zu ändern. Wir leben diese Verantwortung mit viel Umsicht und das setzt natürlich auch ein tiefes Vertrauen ineinander voraus. Das haben wir auch und ich bin stolz darauf, dass wir (wenigstens hier) sehr erwachsen mit der Situation umzugehen gelernt haben.

Alles Liebe

 
Klar kannst du nicht die ganze Geschichte aufschreiben. Aber die Tatsache, dass die Beziehung zu deinem Partner keine Liebesbeziehung mehr ist, ist nicht ganz so unwichtig um deine Aussagen nachvollziehen zu können ;)

Mir fällt auf, dass der Mann, statt sich mit der alten Beziehung auseinanderzusetzen, sich sofort wieder in die nächste Beziehung gestürzt hat. Und auch du hättest diesen Schritt direkt von einer Beziehung zur anderen gemacht.

Ihr wäret beide mit euren "Altlasten" zusammengekommen. In den seltensten Fällen, wenn überhaupt, kann man darauf etwas gescheites aufbauen.

 Kann eine Blockade (mittlerweile) drei Jahre andauern?
Ja natürlich. So lange er die Verletzungen von damals nicht spüren will und sich davor nur ablenkt, kann es sogar noch viel länger gehen.

  Und wäre diese nicht hinfällig, wen man denkt, man hätte jemanden besonderen kennen gelernt?
Nein, denn seine Baustellen tretten nur in den Hintergrund. Das heisst aber nicht, dass er damit alles aufgearbeitet hat. 

 
Warum müssen Träume immer Wirklichkeit werden?

Da triffst du dich mit einem Mann, den du unglaublich anziehend findest. Er findet dich auch attraktiv. man vereinbart sich zu Talk, Food und Sex.

Ihr macht noch einmal ab, er muss absagen, wegen seiner Partnerin, die einen Teenager hat, den er hüten muss. Und was machst du? Die Unverbindlichkeit ist sofort dahin und du machst ihm eine Szene.

Schlechter Stil, würde ich meinen, denn ihr habt euch doch geeignigt, Fun zu haben - warum aber dann auch die schnöden Ansprüche? Damit kommt doch der Alltag ruck zuck in eure göttlich gefügte Affäre - und es wird öde und banal, wie es euch mit euren Partnern ergangen ist.

Dieser Mann: Dein Traumbild eines Mannes, so wie du ihn immer schon haben wolltest.

In Textform vollendet, und am Anfang auch in der Realität (Glück gehabt). Und dann ist der ganze Zauber von ihm weg, vielleicht nicht wegen deiner Szene und seiner unverarbeiteten Ex-Beziehung, sondern weil einfach die Luft raus war und er nicht immer den Prinzen spielen konnte. Wenn man keiner ist, ist das nämlich sehr anstrengend. Aber es lohnt sich, das ganze Gesäusel, weil die Frau natürlich immer einen Prinzen haben möchte, und nur den.

Er darf vermutlich gar nicht mehr er selber sein, denn du forderst von ihm ja, dass er wieder so sein muss, wie zu Beginn.

Mh, findest du nicht, dass das ein bischen viel verlangt ist von einem Menschen, den man einfach vergöttert und bewundert? Oder eben nicht mehr?

Deine Situation ruft solche Traumbilder in dir hervor: Alles ist besser, als das, was du hast.

und ist es wirklich eine vernünftige erwachsene Lösung, dass du mit dem Vater deines Kindes arrangierst, dass ihr zusammenbleibt, weil man das eben wegen dem Kind tut, und dabei gedanklich ganz abschweift?

Warum soll das nun besser sein, als sich einzugestehen, dass es nicht funktioniert und man klare Verhältnisse schafft?

Weil dann der Traum platzen könnte: Du hast dann keinen Stein mehr, der dich hinunterzieht (deine derzeitige Beziehung), so dass dich kein Prinz mehr aus dieser Tiefe heraufziehen kann.

Lieber Leiden, und dann ab und zu schönes erleben.

Aber: Meinst du, das einzigartige, das du erlebt hast, wäre von Dauer?

Wie war das mit dem Vater deines Kindes? War er nicht auch einmal einzigartig?