eineallein:
Es war ein wunderbarer Frühlingstag, als ich N. wieder begegnete, die ich zuvor schon einige Male beruflich gesehen hatte. Nur wenige Worte, nur ein kurzes Beisammensein und in ihren Augen loderte ein Feuer, brannte eine Leidenschaft, wie ich dachte, sie nie wieder sehen zu dürfen. Sie ist stark, sie strahlt Selbstbewusstsein aus, sie füllt einen Saal mit Atmosphäre, wenn sie ihn nur betritt. Ihre große schlanke Gestalt tut ihr übriges dazu und ihre Herablassung macht den Männern Angst und macht sie zugleich begehrenswert. Sie schmachten, die Männer, am Rande der Tanzflächen, am Nachbartisch, in den Geschäften, die sie betritt -- und selten spricht sie jemand an. Der Blick der Leidenschaft und der Unabhängigkeit aus ihren Augen wird von den wenigsten wohl vergessen werden, die von ihm einmal voll getroffen wurden. Man gibt sich nach Minuten verloren und die eigene Phantasie schlägt wohl die wildesten Kapriolen, wenn man an diese Erscheinung wieder denkt, die einem so manche Nacht den Schlaf rauben kann. Sie ist Gefahr für jede Nachtruhe, Gefahr für jede Zweisamkeit, Gefahr für die Ruhe im eigenen Leben -- wenn ein Mann sie einmal richtig angesehen hat. Sie verkörpert die ständige Sehnsucht danach, sich noch nicht für immer festgelegt zu haben, wild, frei und romantisch leben zu können, keinen Zwängen zu unterliegen und mit einer solchen Frau einmal im Leben zusammenleben zu können. Doch all das ist nur Phantasie. All das ist nur die bequeme Sicht auf das, was man nicht hat -- das also, was einem erstrebenswert erscheint. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Sie würde alle Vorstellungen vernichten, schneller als einem lieb wäre. Wer Glück hatte, hatte eine Affäre mit N.; der hatte die Möglichkeit, seine Phantasie aus den Erlebnissen einer Nacht zu speisen und weiterhin an das romantische und wilde Leben zu glauben, das man mit ihr führen könnte. Das einmalige. Doch genau diese Sicht braucht die Illusion und nicht die Erfüllung.
Wer sie jedoch zu lieben beginnt, den beginnt ihr Blick zu verbrennen. Es wird schnell klar, dass sie tatsächlich stark ist, und unabhängig allemal. So tut sie also, was ihr gut tut und sie tut es ohne Rücksicht. Nicht, dass sie mich nicht geliebt hätte. Aber sie betrachtete ihre Liebe als eine Bürde, die sie daran hinderte, frei und unabhängig zu leben. Sie hasste jede Form von Alltag und wenn es hart auf hart kam, dann flog' ich aus ihrem Leben heraus für ein paar Tage. Sie geht ihren Weg und sie nimmt dabei wahr, was sie will. Was sie nicht interessiert oder was sie behindern könnte, das vergisst sie. Man kann von ihr ein Leben lang geliebt werden, aber ihre Leidenschaft wird dich verbrennen. Sie vernichtet deine eigene Kraft, sie zehrt dich aus. Es gibt keinen Alltag und kein Leben mit Menschen, die diese Leidenschaft im Blick haben. Sie müssen wild und unabhängig und frei unterwegs sein, weil man mit ihnen nicht leben kann. Und irgendwann, wird sie wieder einen Mann anblicken und der wird nächtelang nicht schlafen können ...
Ich habe drei Jahre mit N. verbacht. Es waren verzehrend leidenschaftliche und schmerzhaft wilde Jahre. Romantisch waren sie nicht. Ich habe niemals zuvor in drei Jahren so viele Verletzungen hintereinander erfahren, weil sie nicht so leben kann, wie ich mit ihr leben wollte. Sie liebte mich sehr, innigst! Aber sie ist gefangen in dem, was sie ist. Ich habe nicht aufgehört, sie zu lieben, doch ich erkannte, dass ich sie mir aus dem Herz herausreißen muss, bevor mein Innerstes total vernarbt ist.
Ich habe diese Erfahrungen gemacht und ich werde sie zu schätzen wissen, sollte ich einmal ein Zuhause haben, in dem ich willkommen und geliebt bin, mit drei Kindern und einer Frau, die nicht jeden Tag eine neue Kehrtwende machen wird und einmal wöchentlich alles in Frage stellt, was man gemeinsam hat oder aufbauen möchte. Glaube mir, eineallein, es ist ein gutes Leben, wenn man diese Sicherheit und diesen Rückhalt hat. Es muss nicht alles so bleiben wie es ist, aber die Basis, diese feste Grundlage, die dir die Familie gibt, die wird bleiben für dich. Und das ist unschätzbar -- nebenbei gesagt: das ist auch die Grundlage, auf der du diesen Blick überhaupt so wahrnehmen konntest.
Vielleicht ist es gut, etwas Verrücktes zu tun. Vielleicht ist es gut, deinen Mann zu entführen und ihm mit den wildesten Spielen, die dir einfallen, den Blick zu entlocken, den er bisher nicht hatte. Vielleicht ist es an der Zeit, auch etwas zu riskieren in eurer stabilen Ehe und Partnerschaft. Aber tu es auf dieses Basis und nicht gegen sie. Vielleicht ist es für dich jetzt soweit, deinem Mann gegenüber ein Fenster zu öffnen, dass er einen Blick bekommt auf die Wünsche, die er bisher nicht kannte -- das musst du erspüren. Falls es so ist, hat dieser Mann mit seinem Blick dir vielleicht ermöglicht, eure eheliche Partnerschaft auf eine tiefere Ebene zu führen mit mehr Vertrauen und Offenheit.
Ich wünsch’ dir dafür alles Gute,
little boy