Hallo verwirrt_w,
tja, vielleicht ist es erst jetzt Liebe? Deine Tagebucheinträge klingen sehr nach verliebt sein und sie klingen auch irgendwie unvernünftig (sehr schön unvernünftig, natürlich). Und wenn sich das Verliebtsein in Liebe wandelt? Dann kann man auch die eigenen Dinge im Auge behalten, auch mal Stunden völlig ohne einen Gedanken an den anderen verbringen, dann gibt es nicht mehr Schmetterlinge, sondern einen tiefen Grundton, den man hört, wenn man ihr hören will, der aber nie stört. Dann freut man sich, wenn man sich sieht, dann findet man, der andere ist der einzige, aber man ist vielleicht sogar trotzdem in der Lage ganz unverbindlich zu schauen, was sich sonst so tummelt. Man kann eher Fehler verzeihen, ist vielleicht nicht mehr rasend eifersüchtig, sondern nur noch ein wenig, man vertraut vielleicht mehr und vertraut auch sich mehr in den eigenen Gefühlen - wenn man gemerkt hat, dass es Liebe ist.
Kurz: Alles wird ruhiger und "vernünftiger". Muss es ja auch, denn wenn ich zum Beispiel die letzte Beziehung fast drei Jahre ausschließlich höchst verliebt gewesen wäre, dann hätte ich wahrscheinlich meinen Job nicht auf die Reihe gekriegt, ich hätte jetzt keine Hobbys mehr, ich wüsste nicht mehr, wo ich stehe.
Also eine Gegenfrage: Ist es vielleicht jetzt Liebe?
Ich kenne es allerdings auch von mir, dass gerade die Zeit, in der die Schmetterlinge verschwinden, solche Fragen aufwirft, wie du sie stellst. Und ich habe auch schon wegen solcher Unsicherheiten eine Beziheung beendet, um dann nachher festzustellen, dass ich liebte. Wie dumm!!
Nach meiner Meinung kommt jede Beziehung irgendwann an den Punkt, an dem sich die Beteiligten auch ganz bewusst dafür entscheiden müssen, dass sie sie führen wollen. Das ist eben der Punkt, an dem die starke gefühlsmäßige Bindung, die das Verliebtsein mit sich bringt, einem "schwächer" zu werden scheint. Dann muss man sich sagen: "Es ist gut jetzt, wie es ist. Ich will es nicht anders. Ich will auch keinen anderen und ich kann mir vorstellen, mit demjenigen meine Zukunft zu gestalten mit allem, was dazugehört. Ich werde nicht bei der ersten Krise das Handtuch werfen, ich entscheide mich jetzt dafür, den Erhalt dieser Beziehung zu einem großen Ziel in meinem Leben zu erklären." Das ist fast schon wie ein Eheversprechen, aber man gibt es zunächst mal vor sich selbst ab, im stillen Kämmerlein. Ich glaube, das braucht es irgendwann in einer Beziehung, denn mit den Jahren kommen die Krisen von ganz allein, und dann sollte man sich sicher sein, dass man diese Beziehung mit diesem Menschen führen möchte, sonst geht es - wie so oft in der heutigen Zeit - zu schnell auseinander.
Oh Mann, ich schreibe und schreibe und klinge fast wie mein eigener Großvater, oder? Aber ich bin sicher, die meisten unserer Großeltern waren tatsächlich lange Jahre zufrieden und auch "glücklich" miteinander, weil die Eheentscheidung für sie etwas endgültiges hatte. Ich will nie wieder in solch' moralisch vollkommen eingefahrenen Zeiten leben, das muss schon klar sein. Aber ich will nie weider den Fehler machen, zu lieben und mich mangels Entscheidungsfähigkeit so vollkommen dumm zu trennen.
Ich denke auch, die Rückbesinnung der ganz jungen Leute, die jetzt ja auch vom Spiegel und der ZEIT festgestellt wurde, kommt nicht völlig umsonst: Die Bindungsunfähigkeit ist ja teilweise echt nicht auszuhalten.
Hugh! Der Moralapostel in mir ist durchgebrochen, sorry. Aber in mir stecken bisweilen konservative Ansätze, zu denen ich auch stehe.
Viele liebe Grüße, lausch mal nach dem tiefen Ton
little boy