Trennen oder bleiben

Kantorka

New member
15. Apr. 2015
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Hallo,

ich bin neu hier und ehrlich gesagt, weiss ich auch nicht, ob ich hier in der richtigen Ecke gelandet bin. So oder so, es tut mir gerade richtig gut, frei von der Leber weg zu schreiben (frei vom Herz triffts wohl eher). Ich bin letztes Jahr 30 Jahre geworden, eine grosse Zahl -so empfand ich es. Denn mit 30 sollte man den richtigen Partner gefunden haben, wissen, ob man Kinder will, welche beruflichen Ziele man erreichen will ect. Mit dem 30 werden habe ich mir selber einen grossen Druck aufgebaut...nun ich lebe noch, aber gerade nicht sehr glücklich. Mein eigentliches Problem: Meine Beziehung.

Ich bin seit 12 Jahren mit meinem Freund zusammen. Wir wohnen zusammen und der Alltag funktioniert gut, ich habe ihn gern. Alles läuft in seinen gewohnten Strukturen und wir kennen uns sehr gut, sind uns vertraut. Dennoch glaube ich, dass ich nun doch eher freundschaftliche Gefühle habe für ihn (oder ist es doch noch Liebe?). Zur Nähe kommt es nicht mehr und somit habe ich nicht nur das Problem, dass ich mich emotional verwahrlost vorkomme, sondern dass in Hinblick auf Familienplanung ich ja keine Maria bin. Seit nun bald einem Jahr schlage ich mich mit der Frage herum, ob ich mich trennen soll. Ich habe auch schon mit meinem Freund darüber gesprochen; er will sich nicht trennen. Die aktuelle Paartherapie fruchtet auch wenig, weil ich merke, dass ich kaum noch Energie investieren möchte. Zum Gehen fehlt mir aber der Mut. Ich fühle mich dadurch natürlich schrecklich als Versagerin.

Hat jemand Erfahrungen oder einen guten Ratschlag, wie ich mein Problem angehen könnte? Ich möchte nicht noch ein weiteres Jahr damit zubringen, mich hin und her reissen zu lassen durch meine Gefühle.

 
Tja, das kommt mir doch ziemlich bekannt vor ;-)

Über die Jahre und den Alltag seid Ihr zu 'guten Freunden' geworden, was grundsätzlich gar nichts schlechtes sein muss und auch nicht bedeutet, dass Du ihn nicht mehr liebst. Ein vertrautes Miteinander kann die Basis für ein harmonisches Zusammenleben bilden, aus dem heraus man durchaus eine Familienplanung angehen kann. 

Bei Dir klingt es aber eher so, als hättest Du innerlich schon mit Deiner Beziehung abgeschlossen und die Frage ist nur noch, wie den entscheidenden Schritt machen und die Zweifel besiegen. Ob eine Trennung richtig oder falsch sein wird - Du kannst es vorher nicht wissen. Punkt ;-)

Und das macht es so schwer. Es ist zudem bei Euch nicht so, dass es gewichtige Gründe für eine Trennung geben würde, wie z.B. Gewalt, Affären etc... Genau genommen gibt es gar keinen wirklichen oder greifbaren 'Grund' außer Deiner - ich nenne es mal: Sehnsucht nach mehr Leben im Leben. 

Ich kenne das gut, so fing es auch bei mir an und ja - es endete in einer Trennung nach 14 Jahren Beziehung. Fast zwei Jahre habe ich gebraucht, um mir selber die Absolution für diesen Schritt erteilen zu können. Im Nachhinein betrachtet absolut lächerlich... aber ich kam mir so unfair und verantwortungslos vor - ihm und den vielen Jahren gegenüber. Viele hätten mir nen Vogel gezeigt dafür, das alles aus nichts weiter als einem unbestimmten Gefühl heraus aufzugeben. 

Stillstand... ich wollte mich wieder bewegen. Weg von ihm - das eigentlich nicht... also wieder mehr hin zu mir - wo stehe ich, will ich da sein, was sind meine Träume/Wünsche/Hoffnungen? Am Ende war es das gleiche, denn jeder Schritt näher zu mir war einer weiter weg von ihm. Am Ende waren es zu viele und ich irgendwann frei. Nicht einen Moment lang habe ich das seitdem bereut.

Stell Dir mal Dein Leben in zehn Jahren vor... wenn alles bliebe, wie es ist... vielleicht ein Kind dazu, aber der gleiche Mensch an Deiner Seite. Fühlt sich das gut an? 

Oder stelle Dir vor, ER würde sagen, er will nicht mehr... was würde Dir fehlen? Er oder 'bloß' die Vertrautheit, die Gewohnheit, die Sicherheit des Alltags? Bloß... es wäre natürlich eine enorme Umstellung, zumal Ihr auch sehr jung zusammen gekommen seid. 

Wie ist es, wenn Du mal länger alleine bist - ganz für Dich. Denkst Du an ihn? Freust Du Dich noch, ihn zu sehen? 

Du hast für Dich klare Ziele definiert... wahrscheinlich erkennst Du aber langsam, dass die gar nicht so eng gesteckt werden müssen. Wer sagt denn, dass man mit 30 den Partner fürs Leben haben muss? Und die Kinder haben auch noch ein paar Jährchen Zeit... ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Du momentan ein gutes Gefühl dabei hättest. Klar, es würde Dir die Entscheidung abnehmen. Erst einmal ;-)

Aber sieh das jetzt auch als Chance, es anders zu machen. Richte den Fokus mal auf Dich. Dir fehlt so einiges in Eurer Beziehung und das wieder neu zum Leben zu erwecken - schwierig. Vor allem scheint Dein Freund Deine Gedanken nicht unbedingt zu teilen - trotz Therapie. Ist vielleicht auch der Grund, warum die nicht zum gewünschten Erfolg führt? Er sieht keinen Handlungsbedarf, oder?

 
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Liebe Zelda


Vielen Dank für Deine Antwort! Was für eine Erleichterung zu hören, dass ich nicht alleine in dieser Situation bin. Mich beschleicht ab und zu das Gefühl, zu viel zu wollen. Aber du hast das wunderschön formuliert: Sehnsucht nach mehr Leben im Leben. Das trifft es genau. Du hast mir einige gute Ratschläge gegeben, über die ich nachdenken werde. Es ist leider tatsächlich so, dass es wohl bei einen mehr Zeit braucht als bei anderen. Wovor hattest du Angst? Vor dem alleine sein? Den Alltag alleine bewältigt zu kriegen? 

Wie hast du den endgültigen Schritt gemacht und wie hat er es aufgenommen? Bis du sofort ausgezogen oder habt ihr noch zusammen gewohnt, bis eine neue Bleibe gefunden war? Sorry, wenn ich Dich mit so vielen Fragen löchere. Es ist nicht so, dass du alle beantworten musst. Aber ich habe mich noch nie getrennt.

Es ist schön zu hören, dass du den Schritt nicht bereust und ich finde, du darfst ganz schön stolz auf Dich sein. 

 
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Frag ruhig - kein Problem ;-)

Ist halt bloß eine längere Geschichte... ich schreib Dir mal ne PN, wenn ich etwas mehr Luft habe.

Aber vorab... Angst? Hmmm... definitiv nicht vor dem Alleinsein - alleine heißt ja nicht einsam. Auch nicht vor der Bewältigung des Alltags. Eher im Gegenteil - den bekomme ich alleine besser bewältigt  =)

Am Ende war es vor allem die Angst vor dem 'Tal der Tränen'... ich wusste ja, wie sehr ich ihn damit verletzen würde denn auch er wollte die Beziehung nicht beenden. Dazu meine eigenen Zweifel, ob eine Trennung die richtige Entscheidung ist oder vielleicht bloß der 'einfache Weg'. Es ging mir/uns ja nicht schlecht... schöne Wohnung, selten mal Streit... ein nicht aufregendes, aber angenehmes und bequemes Leben, für das manch anderer wer weiß was geben würde. 

Ihm blieb natürlich nicht verborgen, dass sich in mir etwas regt. Ich habe versucht, es ihm zu erklären, aber es war, als würden wir in dieser Hinsicht zwei Sprachen sprechen. Er tickt da einfach anders als ich, hat solche Gedanken nicht und konnte bis zum Schluss nicht wirklich nachvollziehen, was mich da eigentlich bewegt. Wie gesagt - es war nicht greifbar, nur ein Gefühl... schwer das irgendwie zu benennen. 

Der endgültige Schritt... irgendwann war der Moment einfach da, ich wusste es - jetzt oder nie... und habe es ausgesprochen. Wie er reagiert hat? Es traf ihn ja nicht mehr aus heiterem Himmel, trotzdem wurde es zu einer Mischung aus Wut, Trauer, Verzweiflung, Unverständnis... es ihm zu sagen hätte mich fast zerrissen, das kannst Du mir gerne glauben  ;(

Wir haben noch einen Monat zusammengewohnt, ich habe zum Glück recht schnell eine Wohnung gefunden. Heute verachtet er mich... und sich dafür, dass er nicht erkannt hat, zu was für einem Menschen ich geworden bin  :tongue:

Kontakt haben wir keinen mehr. Nach meinem Auszug hatten wir den noch... von meiner Seite aus, weil ich gerne freundschaftlich mit ihm verbunden geblieben wäre. Von seiner Seite aus, weil er noch Hoffnung hatte, dass es doch irgendwie weitergehen würde - was ich aber in der Form nicht realisiert hatte, sonst wäre ich auf Distanz gegangen. Tja - dann lernte ich jemanden kennen und damit musste er seine Hoffnungen endgültig begraben. 

Ich bin heute glücklich und ein sehr viel ehrlicheres ICH, als das, zu dem ich während der letzten Jahre der Beziehung geworden bin. Er nennt mich Egoist... weil ich MEIN Glück über UNS gestellt habe. Ja, verdammt! Und heute würde ich keine zwei Jahre mehr dafür brauchen. Denn eins habe ich verstanden: wenn ICH nicht glücklich bin, dann kann ich auch niemand anderen glücklich machen und niemand es an meiner Seite werden  :]

 
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