Trennung durch gewollte Gefühlskälte

Frangestellen

New member
03. Apr. 2017
1
0
0
Hallo zusammen! 

Ich bin gerade ratlos, wie ich mit der Situation umgehen soll. Vielleicht habt ihr schon Ähnliches erlebt oder könnt mir anhand meiner Beschreibung einen Tipp geben. 

Mein Freund hat sich nach 2 Jahren Beziehung getrennt. Er sagte mir vor zwei Monaten, er brauche etwas mehr Freiraum für sich. Also haben wir uns etwas weniger gesehen. Das war für mich nicht einfach, aber nachvollziehbar. Da in den letzten Monaten viele Veränderungen in seinem Leben stattfanden und er grosse Stresssituationen erlebte  (Umzug in eine WG, neue Arbeitsstelle, Prüfungsstress, psychische Probleme von Freunden, Grossvater im Sterben) und er dabei kaum Zeit hatte, das alles zu verarbeiten.

Er zog sich jedoch immer mehr zurück, verbrachte die Wochenenden in der Bibliothek um zu lernen, verbiss sich in sein Studium und in seine Arbeit, konnte nicht mehr auf etwas anderes eingehen. Er sagte, seine Wertesystem breche zusammen, er werde gefühlskalt, fühle sich unter Druck und entwickelte dabei einen wahnsinnigen Ehrgeiz beruflich und sportlich/gesundheitlich Höchstleistungen zu erreichen. Z.bsp. aufgehört zu rauchen, kaum Alkohol (wenn dann exzessiv), viel Sport, politisches Engagement. Er war oft krank, hatte Schlafstörungen, Magenschmerzen.  

Ich wollte für ihn da sein und habe ihm klar gemacht, dass Veränderungen in einer Beziehung Platz haben dürfen. Doch er entfernte sich immer mehr von mir. Wir hatten zwar täglich Kontakt, aber es viel ihm schwer, sich mit mir zu treffen. Er betonte, dass es nichts mit mir zu tun hat. Dass ich der tollste Mensch sei und dass er bisher noch nie so für jemanden empfunden hatte. Es sei immer schön, wenn wir uns sehen. Aber er könne im Moment nicht auf mich zukommen und es tue im so weh tut, mich mit seinem Verhalten zu verletzten. 

Wir hatten viele gute Gespräche und er kann gut aufzeigen, was in ihm drin gerade passiert. Eines seiner Themen ist, dass ihm seine neue Arbeit sehr nahe ging. Er arbeitet im Sozialbereich mit Menschen, die ganz schwierige Biographien haben und das nahm ihn sehr mit. Er hat dann für sich entschieden, dass es eine gute Strategie ist, nichts mehr für Menschen zu empfinden. Er sagt, er möchte sich für Menschen interessieren, aber mehr sei nicht möglich. Er habe eine innere Mauer aufgebaut und fühle sich sehr "glücklich" damit. Wenn ich ihm sage, dass es doch einen Weg geben muss, sich abzugrenzen, ohne dass sein privates Umfeld betroffen ist. Dass er dies nicht allein machen muss, meint er, er kennt sich selbst am besten und weiss, was gut für ihn ist. Er sei doch nicht krank. Er will sich jetzt auf die berufliche Karriere konzentrieren und müsse sich von allen äusseren Einflüssen schützen. Er sagte auch, dass er sich seit seiner Jugend eigentlich von niemandem  wirklich verstanden fühlte und dass er halt anders sei und das gut so ist. Seine neue Auffassung gibt ihm eine gewisse Stärke und er ist nicht fähig, sich von aussen zu betrachten. 

Er hat dann entschieden, dass er "seinen Kampf", wie er ihn nennt, alleine führen muss. Dass er mich nur noch mehr verletzen würde und ich das nicht verdient habe. Nach den letzten Gesprächen war mir auch klar, dass ich als Freundin und dem Bedürfnis, eine liebevolle Beziehung zu führen, ihm dabei im Weg stehe.

Ich habe ihn als sehr emphatischen, gefühlsvollen Menschen kennen gelernt. Vielleicht gerade etwas zu sensibel, sodass er immerschon etwas Mühe hatte, mit den Eindrücken und Gefühlen, die auf ihn einprasseln umzugehen. Ich bin fast sicher, dass dieser gewählte Umgang kein guter Weg für ihn ist. Doch ich kann nichts dagegen tun. Gleichzeitig frage ich mich immer wieder, wie viel unsere Beziehung da mitspielt. Ich frage mich, ob er das alles "erfunden" hat, um sich von mir trennen zu können. 

Die Trennung ist erst ein paar Tage her und wir hatten seither keinen Kontakt. Obwohl mir die Distanz irgendwie gut tut, sind meine Gefühle noch zu stark, um komplett Abstand zu nehmen. Ich habe auch immer gespürt, dass zwischen uns viel da ist. Bei der Trennung haben wir uns innig gehalten, geküsst und uns liebevoll und gut zugeredet. Ich weiss nicht, ob ich nochmals ein Gespräch suchen soll oder ihn einfach seinem "Kampf" überlassen muss. Es beschäftigt mich im Moment besonders, dass er mit dieser Krise allein ist. Er hat bisher mit niemandem darüber gesprochen und ich weiss nicht, ob er sich mit der neu gewonnen "Gefühlskälte" jemandem öffnen kann oder wohin es führen wird, wenn er sich darin derart selbst bestätigt.

Was meint ihr? 

Danke!

 
Hallo,

ich frage mich ernsthaft: dieser Mensch arbeitet im sozialen Bereich? Mit Menschen?

Er ist doch ganz offensichtlich momentan nicht fähig, seine eigenen Probleme zu managen. Schon allein (sprichwörtlich "allein"): die Aussage mit "seinem Kampf". Krise hin oder her, er gehört definitiv selbst therapiert.

Ich denke, sein neuer, "lustiger Schalter" wird dazu führen, dass es einen Kurzschluss im Stromkreis gibt. Noch ist es ein Spiel, später ist es ein Burnout. Den FI wird er dann irgendwann nicht mehr umlegen können, um den Stromkreis wieder zu starten, zumindest nicht allein.

Ich denke, dass Du sehr gut, sehr reflektiert mit der Situation umgehst. Du kannst ihm Unterstützung anbieten, bist aber nicht verantwortlich, wenn er ablehnt.

Ich denke auch, dass Du nun möglichst versuchen solltest, Dich um DICH zu kümmern, Deine eigene Trauer zuzulassen, wieder Kraft zu tanken, Dich um das Schöne in Deinem Leben kümmern. Sei Du, ganz unabhängig von ihm, so stabil wie nur möglich.

Wie ging es Dir denn in jener Phase der Beziehung, als die Distanz wuchs?

Wo sind die Unterschiede, emotional betrachtet, zur jetzigen Situation?

Was tut Dir jetzt gut, was davon tust Du auch?

Alles Liebe,

Manana