Was will ich eigentlich? Unsicherheit in der Beziehung

drian

Neuer Benutzer
08. März 2011
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Vielleicht findet jemand 5 Minuten Zeit zum Lesen & 5 Sekunden zum Antworten? Der spontane, erste Gedanke Außenstehender wäre mir total wichtig. :( Ich danke den- oder derjenigen, oder all denen, die sich kurz die Zeit nehmen vielmals und sehr im Voraus!

Mein folgendes Problem ist hier mit Sicherheit schon oftmals beschrieben und beantwortet worden. Ich hoffe doch sehr, dass Ihr trotzdessen vielleicht etwas Zeit findet, auf meine individuelle Lage einzugehen. Über eine ganz ehrliche Meinung eurerseits würde ich mich sehr, sehr freuen. Um diese auch bestmöglich zu unterstützen, schildere ich euch meine folgende Situation auch ohne Schönschreiben.

Ich bin 24 Jahre alt. Im Dezember des letzten Jahres habe ich nach 3 1/2 Jahren Single-Sein einen jungen Mann kennen gelernt, in einer darüber hinaus sehr traumhaft schönen Situation, in den ich mich sehr stark verknallte. Wir führen seitdem eine wirklich traumhafte Beziehung, er entspricht ganz meinen persönlichen Vorlieben, der Sex ist toll, seine Freunde sind überaus sympathisch. Mein Freund ist 21 Jahre alt, ein sehr höflicher & zuvorkommender Mensch, kommt aus einem sehr wohl behütetem Elternhaus, die beide fest und finanziell sehr gut im Leben stehen. Mein Freund ist sehr intelligent, ich prophezeie ihm eine berufliche Zukunft in den höchsten Etagen. Sein Lieblingssatz-Zusatz ist „Wenn ich darf“.

Dieses „Wenn ich darf“ kann ich symbolisch vielleicht für die Darstellung meines „Problems“ nutzen. Ich möchte es deutlich sagen – wir lachen viel, er ist, vielleicht auch durch mein Verhalten, auch schon etwas offener und „zynischer“ geworden. Doch gibt es diese überaus höfliche Seite an ihm, über die ich in den meisten Situationen zugegebenermaßen etwas anstrengend lächeln muss. Beispielsweise neigt er dazu zu fragen, ob er sich einen Tee kochen darf. Morgens, bevor er zur Arbeit geht (ich bleibe meist noch ein Stündchen länger liegen), versucht er, mich auf jede mögliche Weise noch einmal wach zu machen, um mir rückwärts gehend (dabei stößt er sich peinlich am Tisch ^^) einen Luftkuss zuzuwerfen. Und das jeden morgen. Auch - wenn er sieht, dass ich noch tief schlafe. Was ja im Prinzip so eine junge frische Liebe ausmacht, ich denke jeder würde sich damit glücklich schätzen und fühle mich auch beschämt, dass ich irgendwie daran herumnörgele. :-/

Mein Freund würde alles für mich tun. Er ist absoluter Filmliebhaber, und manchmal habe ich das Gefühl, als wolle er, dass alles so wie in einer Romanze ablaufen soll – und es dann auch tut. Immer frische Blumen auf dem Tisch, Kinobesuche, Massagen im Bett, sein Bedürfnis, dass mich seine Freunde toll finden, er plant Sommerurlaube, lädt mich in Freizeitparks ein, spricht malerisch vom Heiraten (auch wenn noch auf einer leicht ironischen Schiene) ... im Prinzip das, was mein Ex-Freund zu missen hatte, erfüllt mein jetziger im Übermaß. Dazu kommt, um ehrlich zu sein, dass ich mich wegen unserer doch sehr stark (!) unterschiedlichen familiären Umstände manchmal so vorkomme, als könne ich ihm nichts bieten. Ich liebe meine Familie über alles, es gibt keinen Streit oder sonstiges, meine Eltern sind ein tolles Paar, genau wie die seinen. Doch steht meine Familie eben auf ... nun, anderen Beinen, wir können uns nicht so viel leisten, auch ich verdiene momentan genau so viel, um mir hier und da einige Wünsche zu erfüllen und mein Leben zu unterhalten. Wenn er vom Wegfliegen spricht, denke ich an die nächste Miete. Ich fühle mich dann oftmals etwas peinlich berührt. Möglicherweise hängt das vielleicht mit einem geringen Selbstwertgefühl zusammen, das ich habe? Ich weiss es nicht. Ich erwische mich manchmal dabei, dass ich ... etwas demütig & irgendwie sauer zugleich bin, dass er nicht „sieht“, dass ich den Lebensstandard, den er führt, nicht führen kann. Natürlich ist es mein Ziel, irgendwann dort zu stehen. Vielleicht liegt es auch an einem möglichen Zug von Arroganz, den ich habe, dass es mich irgendwie aufregt wenn er meint, er müsse mir ein französisches Wort buchstabieren, da ich ja kein Französisch hatte ich lasse ihn dann auch buchstabieren, auch wenn ich weiss, wie es geschrieben wird.




Zu Beginn unserer Beziehung war er derjenige, der die magischen drei Worte als erster äußerte. Ich ließ mir damit noch etwas Zeit. Einfach, weil ich sie eben auch nicht nur sagen, sondern auch meinen möchte. Nach einem Monat dann, lagen wir abends im Bett und, ja, ich war in dem Moment einfach sehr glücklich, schaute ihn an, konnte es kaum glauben, das alles so schön mit ihm ist, und ich sagte, dass ich ihn liebe.

Als er nun übers Wochenende zu seinen Eltern zum Heimbesuch war, was ich zwischendurch mal als sehr guten Abstand empfand, habe ich mich jedoch sehr misslich verhalten und mich auf ein Treffen eingelassen, was bereits lange vor meiner Beziehung im Raum stand. Hatte ich jenerzeit nie die Gelegenheit dazu, nahm ich sie nun wahr. Und jetzt plagt mich mein Gewissen. Und es ist nahezu eine krasse Ironie des Schicksals – das Date war toll, der junge Mann, den ich kennen lernte, hat mich wirklich sehr ... nun ... ich weiss nicht, wie ich es beschreiben soll. Ich fühlte mich ehrlich gesagt sehr viel mehr geborgener und wohler, da sein Leben auch kein „perfektes“ ist. Er ist sarkastisch, frech, aber höflich, aufmerksam, wir haben gekocht, gelacht und ... nun, ich fühle mich nicht nur deswegen so, als wäre ich fremdgegangen, auch der dann geschehene Kuss zwischen uns ist absolut unverzeihlich.

Die Frage, die ich mir nun stelle, ist schlichtweg – was mache ich hier? Was ist das, was mich dazu bewegte, jemanden anderes zu treffen? Liebe ich meinen Freund nicht? Treffe ich den anderen weiter und finde heraus, ob dort möglicherweise etwas entstehen kann? Bin ich ein so ignorantes und selbstherrliches *********, das darüber hinaus aus über ein geringes Selbstwertgefühl verfügt und fremdgeht? War ich vor 3 1/2 Jahren derjenige, dem fremdgegangen wurde, tue ich es nun selbst. Das frisst mich auf.

Was ist euer erster Gedanke dazu?

Über eine Antwort würde ich mich absolut freuen. Vielen, vielen Dank für die geschenkte Aufmerksamkeit!

 
Mal sehen ob ich es in 5 Sekunden schaffe. Leider zu spät :D

Mmh, das erste was mir einfällt - wo ist eigentlich Dein Platz in der Beziehung? Wo ist der Raum für Dich, für Deine Träume, Deine Selbstverwirklichung. Wo ist Dein Raum etwas zur Beziehung beizutragen?

Mich erinnert er ein wenig an den Papa der dem Kind absolut alles zu Füßen legt und das Kind verkrüppelt und verkümmert seelisch weil es nie eine Chance hat selbständig zu sein. Seine Belehrungsversuche unterstreichen diesen Eindruck noch.

Auch der goldeste Käfig ist immer noch ein Käfig.

 
@ Charlies_Berta, Liebelle,

vielen lieben Dank für eure Antworten und eure Zeit.

Wisst ihr, ich bin ein sehr starker Kopfmensch. Das soll bedeuten, dass ich mir vieles sehr zu Herzen nehme. So beispielsweise weiss ich schon jetzt, dass ich nicht drum herumkommen werde, mir ein Lügengerüst aufzubauen. Ein Lügengerüst, das mich plagen wird. Und sei es nur wegen seiner garantierten Frage, wie mein Wochenende war. "Ich hatte einen Seitensprung!" wäre eigentlich die ehrliche Antwort.

Prinzipiell habt ihr beide sehr recht mit euren Fragen und Anregungen. Da die Beziehung ja auch noch so jung ist, 3 Monate gerade mal, fürchte ich mich sehr vor der Tatsache, dass ich bereits jetzt schon Zweifel habe lange mit ihm glücklich zu bleiben. Er ist ein herzensguter Mensch, das ist er wirklich, und manchmal erschrecke ich mich daran, wie positiv sein Wesen ist. Es gibt, nach 3 Monaten, noch immer keinen objektiven Makel wie Unfreundlich- oder Unpünktlichkeit, wenn ihr wisst, was ich meine. Alles, was ich kritisiere, ist rein subjektiv. Und ich weiss nicht ob ich mich dabei ertappe, gezielt Fehler zu suchen, oder ob mein Herz mir tatsächlich sagen will: "Es ist nicht das Richtige!"

Mein Platz zur Selbstverwirklichung bzw. Darstellung ist möglicherweise tatsächlich sehr eingeschränkt - aber nicht durch ihn, sondern, so vermute ich, eher durch meine queren Gedanken und Konflikte, die ich im Abgleich unserer beider Lebensgrundlagen habe. Er ist mir in gewissen Situationen zu höflich, seine Weste manchmal zu weiß, seine Liebesbekundungen könnten aus einem Zeitalter des poetischen Zenits kommen - das ist mir manchmal alles zu viel. Das brauche ich nicht. Mich zu zeigen fällt mir natürlich schwer. In meiner Familie gab es bis zuletzt ständig Probleme zu bewältigen. Sei es der inhaftierte Bruder, die Gehaltskürzung meines Vaters, meine fragwürdige Ausbildung, Anwaltsstreit mit meinem Ex-Vermieter, und so weiter, und so weiter. Alle Probleme haben ich und meine Familie lösen können, stets zum positiven. Ich bin ausgelernt, habe Abi gemacht, verdiene ein mickriges Gehalt, bin zwar übernommen worden, brauche aber einen Nebenjob, um mein Leben mit dem zu erfüllen, was ich will und mir und ihm bieten möchte. Dass ich selbstverständlich dabei bin, mich für bessere Stellen zu bewerben, möchte ich nur erwähnen, dass nicht der Eindruck entsteht ich würde nur jammern & nichts tun. Doch - ich bewege mich, so gut ich kann, so gut es geht.

Selbstverständlich weiss er von all den Dingen, doch warum lässt mich dieses Unwohlsein nicht los? Er akzeptiert dies. Wenn ich kein Geld fürs Kino habe, will er mich einladen. Ich hatte kürzlich Geburtstag, und während sein Geschenk das Maß meiner Erwartungen sprengte, konnte ich ihm zu seinem Geburtstag nichts schenken, da ich finanziell einfach nicht dazu in der Lage war. :/

Seine Eltern beispielsweise wissen nicht, dass ich sein Freund bin. Sie wissen, dass er schwul ist, doch so viel ich weiss stieß er damit auf nicht so gute Resonanz. Die Resonanz war keineswegs schlecht, aber es schien mir, als hegen seine Eltern die Hoffnung, dass er sich noch zu Frauen hingezogen fühlen wird. Wiederum weiss ich, dass sein Vater bereits seinen damaligen Ex-Freund kennen lernte und seine Mutter nun auch weiss, dass er einen "Prinzen" hat, und keine Prinzessin. Doch hält er inne, mich beim Namen oder sonst irgendwie vorzustellen. Meine Eltern wissen alles über ihn. Auch hier weiss ich einfach nicht, wie ich das beurteilen soll. Da seine Mutter momentan an starkes Gesundheitsleiden hat, gebe ich ihm auch den Freiraum, mich dann vorzustellen, wenn es ihr wieder besser geht. Doch - so ein fader Beigeschmack blieb übrig.

Denke ich an meine erste Beziehung zurück, so war ich nach 3 Monaten noch immer Hals über Kopf verliebt. Und jetzt - nach drei Monaten bin ich fremd gegangen. Wie beurteilt ihr meinen Seitensprung indes? Ich muss ehrlich zugestehen, dass ich die Zeit mit dem anderen wirklich sehr genossen habe. Wir haben uns, während mein Freund daheim war, dreimal getroffen. Selbstverständlich habe ich das schlechte Gewissen über die ganze Zeit, auch als ich bei ihm war, nicht ablegen können. Doch umso mehr habe ich die Zeit mit ihm genossen. Manchmal habe ich mich dabei erwischt dass ich dachte, dass es schade ist, dass man sich nicht schon früher getroffen hat.

Es gibt keinen Grund, mich nicht schlecht zu fühlen. Es ist weder Jammern auf hohem Niveau noch möchte ich den Eindruck vermitteln, dass ich nicht schon selbstkritisch mit mir umgehe. Wenn ich wüsste, was zu tun ist, würde ich das auf der Stelle tun.

Mh - ich finde es so schwierig, beim Schreiben ein gewisses Gleichgewicht zu erhalten. Ich will ihn nicht böse darstellen, oder gar schlecht, sondern versuche, ihn detailgetreu wiederzugeben. Bin ich einfach nur neidisch auf seinen Lebensstandard? Bin ich neidisch darauf, was er mit 21 Jahren erreicht hat, wie schlau er ist, dass ihm eine jetzt schon hundertprozentige rosige berufliche Zukunft bevorsteht, während ich mit meinen 24 Jahren noch mitten im "Ich weiss nicht, wohin es gehen soll!" stehe? Gehe ich tief in mich, liegt mir beinahe ein "Ja!" auf der Zunge, andererseits bin ich so stolz auf ihn.

@ Liebelle - meine finanziellen Möglichkeiten interessieren ihn überhaupt nicht. Er ... sieht mich als wunderbaren Menschen, der einzigartig ist, über den er sich freut, dass er seinen Weg gekreuzt hat, in sein Leben getreten ist. Mein Freund ist ... glücklich, einfach glücklich mit mir.

 
Hey,

ich weiß nicht, ob ich besonders hilfreich sein kann.... Aber ich möchte Dir zumindest sagen, dass ich Deine Texte sehr beeindruckend finde. Du hast eine unglaublich starke, niveauvolle und analystische Ausdrucksweise, wie ich finde.

Mein erster Gedanke, als ich Deinen Text gelesen habe war: Warum sagst Du ihm nicht einfach "Hey, ich finds lieb, dass Du Dich immer so süß verabschiedest- aber bitte lass mich in Zukunft schlafen ud weck mich nicht für einen Luftkuss" ;) Mein zweiter Gedanke: Das wird wohl nur eine Beispielsituation, für das große Ganze gewesen sein.... Mein dritter Gedanke: Wie schrecklich. Was für den einen märchenhaft und perfekt klingt, klingt für ander (mich zum Beispiel) SCHAUDERHAFT. Ich brauche Reibung, aneinander wachsen, diskutieren, Grenzen gezeigt bekommen (bin jetzt nicht der unterwürfige Typ, aber es ist schon wichtig für den dauerhaften Respekt, dass mein Partner Grenzen setzt)....

Geht es Dir möglicherweise ähnlich? Ähnlich wie in diesem Film, mit Jim Carrey, die Truman- Show ;)

Jemand der immer nur Harmonie ausstrahlt, wäre mir unheimlich- allein schon weil er ständig meine eigene Disharmonie aufdecken würde.

 
Bin ich einfach nur neidisch auf seinen Lebensstandard? Bin ich neidisch darauf, was er mit 21 Jahren erreicht hat, wie schlau er ist, dass ihm eine jetzt schon hundertprozentige rosige berufliche Zukunft bevorsteht, während ich mit meinen 24 Jahren noch mitten im "Ich weiss nicht, wohin es gehen soll!" stehe? Gehe ich tief in mich, liegt mir beinahe ein "Ja!" auf der Zunge, andererseits bin ich so stolz auf ihn.
@ Liebelle - meine finanziellen Möglichkeiten interessieren ihn überhaupt nicht. Er ... sieht mich als wunderbaren Menschen, der einzigartig ist, über den er sich freut, dass er seinen Weg gekreuzt hat, in sein Leben getreten ist. Mein Freund ist ... glücklich, einfach glücklich mit mir.
Lieber drian,

dann sitzt das Problem bei Dir. Ob es "nur" Neid ist, kann ich nicht sagen. Vielleicht fühlst Du Dich nicht auf Augenhöhe mit ihm und möchtest gleichgestellter sein? Ein Problem, dass er glücklicherweise nicht mit Dir zu haben scheint, was erstens für einen guten Charakter spricht (dann manche durch Herkunft begünstigte Leute haben da durchaus ihre Dünkel) und zweitens vor allem eine gute Beziehungsgrundlage ist.

Vielleicht setzt Du Dich unter Druck, wenn Du mit ihm zusammen bist? Und bei dem anderen hast Du das Gefühl, Du kannst einfach so sein, wie Du bist? Du sagst auch, Du hättest nichts an ihm auszusetzen, er sei fast schon perfekt - schreckt Dich das und das Du in der Gegenüberstellung zu fehlerhaft rüberkommen könntest? Er liebt Dich doch wohl so, wie Du bist! Wie kann er nur;)

Evtl. findest Du vielleicht tatsächlich einen Weg, indem Du Dich auch mal fragst, was Dir beruflich etc. wichtig ist.

Ob Dir Status überhaupt etwas (für Dich, für ihn scheint es ja nicht ausschlaggebend zu sein) bedeutet, oder nur im Vergleich mit ihm, und wenn ja, wie viel.

Oder ob Du einfach für Dich mehr aus Dir, Deinen Talenten und Deinem Leben machen möchtest. Jung genug bist Du. Oder ob Du Dich einfach erst mal so nimmst, wie Du bist.

Ich war mal in jemanden verliebt, den ich um seinen interessanten und verantwortungsvollen Beruf beneidet hab. Den Mann habe ich nicht bekommen (das soll bei Dir besser laufen), aber nun bin ich auf dem Weg zu diesem Beruf. Es muss ja bei Dir nicht dasselbe sein, was er macht, aber "Neid" gibt einem immer wichtige Hinweise darauf, was einem fehlt und was Gehör finden will. Das sollte man ernstnehmen.

Dass seine Eltern mit seinem Schwulsein nicht ganz im Reinen sind, ist nicht ideal, aber da machst Du erst mal nichts dran... sie werden es hoffentlich schon noch einsehen. Er hält inne, Dich vorzustellen, denkst Du aber vielleicht steigerst Du Dich ein wenig rein... nach 3 Monaten... Sonst sprich ihn doch mal drauf an, Du würdest gerne seine Eltern mal kennenlernen.

Übrigens: Du schreibst einen sehr schönen Stil.

 
@ miaflorentine

Vielen Dank für deinen Beitrag. Da ich gerade ohnehin nicht schlafen kann, freue ich mich über jede neue Nachricht, die ich hier lesen kann. Darüber hinaus, um mich mal gedanklich kurz abzulenken, danke ich dir natürlich sehr für die lobende Worte, wie meine Texte auf dich wirken. Ich freue mich wirklich sehr, dass ich der Sensibilität und Wichtigkeit meines Anliegens so eine Note verleihen kann/konnte. Schließlich mag ich nicht lästern oder mir eine ehrliche Meinung von anderen schon vorher durch Unwahrheiten verbauen. Es ist für mich ganz, ganz wichtig, auch wenn Du meintest, nicht viel sagen zu können, das du was geschrieben hast. Und das du damit genau richtig gelegen hast, will ich dir zeigen.

Du hast geschrieben, warum ich ihn dann nicht darauf hinweise, dass er mich doch schlafen lassen soll. Selbstverständlich liege ich dann manchmal um 6 oder 7 Uhr morgens da und denke mir: "Aaargh, bitte. Lass mich doch einfach schlafen!" Ich möchte auch hier nicht übertreiben, doch wüsste ich, egal wie süß ich es verpacke, dass es ihn innerlich zumindest ein bisschen stören würde, sowas von mir zu hören. Auch mit deiner weiteren Überlegung hattest Du vollkommen recht. Es ist eine Beispielsituation gewesen, die man aber durchaus als Schablone für viele andere Situationen heran ziehen kann. So zum Beispiel fällt es ihm schwer, auch wenn ich es teilweise auch süß finde, sich direkt festzulegen. Als er beispielsweise immer fragte, ob er sich einen Tee kochen oder baden gehen darf, sagte ich ihm: "Du darfst nur, wenn du den Satz noch einmal wiederholst, ohne zu fragen, ob du darfst!" Er kapierte, worauf ich hinaus will, und mittlerweile klappt das auch sehr gut. Bitte verstehe/versteht mich nicht falsch - ich möchte ihn nicht dressieren, in dem ich ihn Anweisungen gebe, wie er sich zu verhalten hat. Andererseits möchte ich ihn aber auch nicht damit dressieren, ihm auf jedes Vorhaben, das gerade in seinem kleinen Kopf herum wirrt, mein Okay geben zu müssen. Er soll sagen: "So, ich brate mir jetzt ein Schnitzel!", Punkt, Aus, Ende.

Auch mit deiner persönlichen Meinung wiederum liegst Du meinem Empfinden sehr nahe - ich brauche Reibung. Ich brauche Widerworte. Ich will nicht alles entscheiden müssen. Ich hasse den Satz: "Ist mir egal, wie du willst!" Mein Freund beherrscht diesen sehr gut. Wenn ich wollte wie ich könnte, MÜSSTE ich ihn ja fast schon dressieren, doch widerspräche das einfach meiner Vorstellung von Gleichberechtigung in einer Beziehung, ich will nicht, dass er sich mir anpasst, dass er MIR gefällt. Im Prinzip denke ich in solchen Momenten, auch wenn ich ihn auf so manches hinweise, dass ich es vielleicht einfach rollen lassen sollte. So kann ich zumindest gewährleisten, dass wir uns nicht verstellen und ihn besser kennen lernen. Auch mit einem weiteren Punkt liegst du goldrichtig - er strahlt Harmonie aus. Ich habe ihn, ganz ehrlich, noch nie in einer schlecht gelaunten Verfassung gesehen. Außer in einer Situation, als er mich anrief und mir mitteilte, dass er der Frau am Postschalter ordentlich die Meinung gesagt hat, als mein Freund zum wiederholten Male eine Sendung verschicken musste, die beim ersten Mal nicht beim Empfänger ankam. Ehrlich gesagt fand ich es natürlich amüsant, wie "ordentlich" er seine Meinung sagte, nämlich kaum, doch ist und soll das eben seine Eigenheit bleiben, denke ich mir dann immer. Wieso ihn ändern wollen? Würde das was bringen? Was meinst Du dazu?

@ Mafalda

Auch dir danke ich für deinen Beitrag. Ich finde es sehr anregend, dass du mich sehr genauer inspizierst. Ich kann Dir, Hand aufs Herz, antworten, dass ich mich nicht unter Druck setze, wenn wir zusammen sind. Ich finde es aber gut, dass du diese These in den Raum stellst, denn so konnte ich mir die Frage natürlich auch selbst einmal stellen, auf die ich vorher nie gekommen war. Wenn ich meinen Teil der Beziehung bestmöglich beschreiben könnte, dann so, dass ich eher der rebellische Part bin. Ich bin forsch, frech, bringe ihn zum Lachen. Ich bohre manchmal ein bisschen tiefer, aber aus reiner Neugier. Ich weiss dass es ihm gefällt, dass ich wiederum eine zuvorkommende und charmante Ader besitze, eine fürsorgliche, die auch seine Freunde spürten und kennen lernten und ihm ihren "Segen" zu unserer Beziehung gaben.

Ich muss an einer Stelle deines Beitrages natürlich schmunzeln. Ja - wie kann er mich nur lieben. Eigentlich sollte er mich vor die Tür setzen, genau. Du hast schon recht - so eine gewollte Minderwertigkeit, die ich manchmal als guten Trennungsgrund seinerseits absolut verstehen könnte, spielt mir da schon in die Karten. Weshalb das so ist? Ich weiss es nicht. Ums auf den Punkt zu bringen könnte ich sagen: "Du hast etwas Besseres als mich verdient!" Manchmal wünschte ich mir, ich würde es aus seinem Mund hören, dass er etwas Besseres verdient habe. Und wenn ich diese Zeilen so schreibe, befürchte ich tatsächlich, dass ich mir selbst die Diagnose eines in Zügen vorhandenen Minderwertigkeitskomplexes bestätige. :-/ Ich liebe alles, was ich in meinem Leben erlebt und getan habe, ich hatte eine tolle Kindheit. Wir konnten uns nie alles leisten. Während andere in den Skiurlaub mit der Klasse fuhren, blieb ich zu Hause und arbeitete in der Schule an einer Projektarbeit mit. Während andere meiner Mitschüler, mit denen ich auch heute noch Kontakt habe stellenweise, bis heute noch nie mehr gearbeitet haben als in den Schulpraktikas unserer Schulzeit, liest sich mein Lebenslauf ganz anders. Ich musste und wollte auch immer arbeiten, sobald das Geld knapp wurde. Den Ansporn hatte ich schon immer. Während andere Familien so perfekt schienen, waren Polizeibesuche vor unserer Haustür und jahrelanges Antrag stellen auf Besuchszeit für meinen Bruder an der Tagesordnung.

Wiederum möchte ich es niemanden ankreiden oder gar zum Vorwurf machen, dass er nicht so ein an Stellen problematisches Leben hatte wie ich. Warum auch. Das wäre nicht fair und absolut unangebracht. Und letzten Endes führen mich auch diese Worte schlussendlich wieder zu meinen Ursprungsgedanken, der Ur-Frage, was ich eigentlich will. Will ich ihn noch? Ist mir mein Freund einfach zu perfekt, zu harmonisch? Lasse ich mich auf etwas Neues ein? Letzten Endes muss ich eine Entscheidung treffen. Und möchte ich fair bleiben, auch ihm gegenüber (und mir gegenüber), müsste ich ihm vom Seitensprung erzählen.

Würdet ihr mir empfehlen, den Seitensprung anzusprechen?

 
hallo,

ob du den seitensprung ansprichst oder nicht, ist deine entscheidung.

mein rat bzw. meine empfehlung allgemein aber ist:

REDEN REDEN UND NOCHMALS REDEN!

genau das ist das 'problem' der kopfmenschen und es macht die gefühlsmenschen wie mich zum beispiel wirklich verrückt.

wir wollen an den gedanken des anderen teilhaben, wir wollen reagieren können aber wenn keine aktion vom denkenden kommt, wie soll das gehen?

ansonsten bezüglich dem problem deines 'perfekten' freundes: perfektes langweilt schnell. wie schon von anderen beschrieben, es ist ein goldener käfig, man kann nicht wachsen, es braucht immer das eine um das andere kennenzulernen, das heißt zb schlechte zeiten durchzumachen um die guten doppelt so stark spüren und genießen zu können.

ich mag es auch nicht, wenn mein freund überhöflich ist und mich fragt, ob er denn ein handtuch dort und dorthin legen 'darf'. natürlich! er hat doch einen eigenen willen, das macht mich rasend, wenn sich jemand mir so 'unterwirft'.

also bitte: rede mit deinem freund drüber. sag ihm, wie du alles empfindest, wie du ihn siehst und dich und eure beziehung. versuche deinen gedanken ausdruck zu verleihen, sonst wirst du in ihrem strudel hilflos ertrinken.

alles liebe

 
Die Frage, die ich mir nun stelle, ist schlichtweg – was mache ich hier? Was ist das, was mich dazu bewegte, jemanden anderes zu treffen?

Was ist euer erster Gedanke dazu?
Du hast offenbar bewusst unbewusst (oder umgekehrt) einen Schritt eingeleitet, der dich dazu zwingt, dir selber eine unangenehme Gretchenfrage zu stellen, um eine zukunftsweisende Entscheidung zu treffen. Gibt schlimmeres. Und wenn du ein Kopfmensch bist, wirst du das solange mit dir selber ausdiskutieren, bis du zu einem klaren pragmatischen Schluss gekommen bist - völlig ok.

 
Liebe Zuhörer & Wortschenker,

ich danke euch vielmals für eure Zuschriften und wohlwollenden Gedanken.

Gestern ist es geschehen – wir trafen uns nun seit seiner Heimreise zum ersten Mal wieder. Und wenn ich etwas nicht kann, dann das, dass ich nicht so tun kann, als wäre alles in bester Ordnung. Kurzum hat er meine Mimik & Gestik haargenau richtig interpretiert, die Pistole lag im Anschlag auf meiner Brust - oder besser: An meinem Kopf.

Die Nacht war furchtbar. Ich erinnere mich nicht, wann ich das letzte Mal so stark geweint habe. Und ich erinnere mich nicht, wann mir zuletzt das Herz so zerrissen ist, als ich jemanden weinen gesehen habe. Schlimmer noch – es war dieses Mal nicht jemand, sondern mein Freund, der mich über alles liebt. Gott, wie schrecklich ich mich fühle. Es war furchtbar. Was habe ich da nur getan.

Wir beide sind nun schon auf Arbeit. Er wollte, dass ich die Nacht bleibe, auch wenn natürlich nichts so war wie vorher. Wir haben eine Stunde geschlafen. Heute morgen konnte ich ihm nicht in die Augen schauen, wir haben beide sehr viel geweint, doch fing ich an, weil ich ihn einfach nicht vor mir stehen sehen konnte. In seinem Anzug, dieses zarte Gesicht, die Kullerwängchen und großen blauen Augen. Ich fühle mich so mies, so dreckig, so ... mein Gott, ich habe zum ersten Mal in meinem Leben jemandem das Herz zerbrochen. Das tut so weh!

Da es nun nicht möglich sondern Wunschdenken ist, die Zeit zurückdrehen zu können, bin ich voller Angst, wie es nun weitergeht. Wie ich mich verhalten soll. Insofern es von Interesse ist, versuche ich, den weiteren Werdegang hier niederzuschreiben. Vielleicht kann man das wenigstens, irgendwie, wie auch immer, als kleine Lektion für alle anderen Leser verstehen, die an einen Seitensprung denken.

Lieben Dank für alles, liebe Community, jeder einzelne von Euch hat mir sehr geholfen.