Wenn Eltern alt werden

plofre

Erfahrener Benutzer
21. Juli 2003
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Hallo, Leute!

Ich möcht eure Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken, das für die meisten von euch noch so was von irrelevant ist, und zwar, weil sie jung sind.

Die meisten von euch haben Eltern, die in äußerst agilem und leistungsfähigem Alter stehen. Sie sind durchwegs in der Lage, und das noch lange, für sich selbst zu sorgen, und ihr habt kein Problem damit.

Das wird aber nicht ewig so bleiben. Auch eure Eltern werden alt werden.

Meine sind es schon. Sie sind 81 bzw. 82 Jahre alt. Sie leben noch gemeinsam in ihrer Wohnung und bis vor kurzem kamen sie durchaus allein zurecht. Natürlich gab es häufige wechselseitige Besuche, mehrmals wöchentliche Telefonkontakte usw., also wir liessen meine Eltern nicht allein. Es war aber nicht nötig, ihnen besonders unter die Arme zu greifen.

Bis vor kurzem hatten sie noch einen Garten mit einem kleinen Sommerhäuschen, allerdings ca.70km von Wien entfernt, das mussten sie aufgeben, da es ihnen zu beschwerlich wurde. Sie fuhren auch jedes Jahr mit dem eigenen Auto nach Kroatien auf Urlaub.

Das alles geht jetzt nicht mehr. Sie sind zwar, wie ärztliche Untersuchungen ergaben, organisch für ihr Alter erstaunlich gesund. Natürlich hat man in dem Alter öfter mal Erkrankungen wie Blasenentzündungen, harmlosere Darmleiden, hartnäckige Erkältungen u.dgl. Aber sonst ging es ihnen ganz gut. Meine Mutter hatte immer schon ein wenig mit der Wirbelsäule zu tun. Das hat sich inzwischen derart gesteigert, dass sie höchstens ein paar Meter gehen kann, ohne heftige Schmerzen bis in die Beine zu haben. Auch die Küchenarbeit oder sogar die Körperpflege ist ein Problem, da sie bei Tätigkeiten mit "freischwebenden" Armen Schmerzen im Schultergürtel und der Halswirbelsäule bekommt. Das führte dazu, dass sie meinem Vater kaum mehr etwas kochen kann. Er ging ins Gasthaus, vertrug aber auf Dauer das Gasthausessen nicht. Jetzt kocht er teilweise selber.

Stärkere Schmerzmittel verträgt meine Mutter allerdings magenmäßig nicht.

Mein Vater nimmt meiner Mutter momentan viele Arbeiten im Haus ab. Er laboriert aber seit einiger Zeit an immer wieder kehrenden Muskelentzündungen in den Beinen. Es ist abzusehen, dass er das nicht auf immer wird machen können. Das Einkaufen erledigt inzwischen eine andere Hausbewohnerin, das Fensterputzen ein Bewohner des Nachbarhauses. Meine Mutter leidet auch - vor allem psychisch - darunter, dass sie ihre beliebten Handarbeiten nicht mehr tun kann. Sie fabrizierte wunderschöne Figuren aus gesteckten Nadeln (ich weiß nicht, wie das heißt), die in der ganzen Verwandt- und Bekanntschaft beliebt waren.

Meine Eltern wollen, so lange es noch möglich ist, weiter in ihrer Wohnung wohnen. Sie haben sich deswegen auch für kein Pensionistenheim angemeldet. Doch was geschieht, wenn sie pflegebedürftig werden? Wir könnten sie, sofern unsere Kinder bis dahin ausgezogen wären, im Obergeschoss unseres Hauses unterbringen, aber wer kümmert sich um sie? Wir sind beide berufstätig und müssen das auch bleiben, da wir nicht unbedeutende Kredite für unser Haus zurück zu zahlen haben.

Pflegeheim? Zu zweit? Leute, die ich gefragt habe, haben sich diesbezüglich skeptisch geäußert. Das wird noch ein Problem.

Aber das haben die meisten von euch ja Gott sei dank (noch) nicht.

Gruß

plofre

 
Hallo plofre,

ich kenne das Problem auch, allerdings nicht auf meine Eltern bezogen, sondern auf die Oma meines Mannes. Und nicht in jedem Fall spielt da das hohe Alter eine Rolle, denn meine Schwiegermutter war noch keine 60, als sie sterben musste. Sie hatte seit ihrer Jugendzeit offene Beine, Herzprobleme, später Zucker, ich weiß gar nicht, gegen was sie noch alles Medikamente nehmen musste. Auf alle Fälle konnte sie irgendwann die Wohnung nicht mehr verlassen, konnte kaum noch laufen vor Schmerzen. Mein Mann und ich haben uns um Einkauf gekümmert, als mein Sohn alt genug dafür war (so ungefähr 11, 12 Jahre), auch er; ich habe die Reinigung der Wohnung übernommen und Geld- und Behördenangelegenheiten. Irgendwie haben wir das alles trotz Kinder und Arbeit geschafft. Zweimal am Tag kam eine Pflegeschwester zum Verbinden, die damals noch von der Krankenkasse bezahlt wurde. Sie hat dann auch ab und an Sachen aus der Apotheke mitgebracht. Urlaub war natürlich nicht länger als 1 Woche für uns drin. In den letzten vier Wochen, bevor sie starb, ließ sie schlagartig geistig nach. Es ging dann alles sehr rasch, so dass wir gar nicht mehr dazu kamen, über eine Alternative zur Wohnung nachzudenken. Allerdings hätten wir sie in unserer 3-Raum-Wohnung nicht aufnehmen können.

Der Tod meiner Schwiegermutter hat dann wiederum der Oma die Beine weggehauen. Organisation also von Neuem. Da stand die Frage Pflegeheim zweimal in den 4 Jahren. Sie hat sich immer wieder aufgerappelt. Sie wurde dann sehr senil. Neben uns kamen Pflegeschwestern 3 mal täglich, die sie wuschen, dafür sorgten, dass sie am Tage aß und trank. (Dabei war nur die Medikamentengabe kostenfrei.) Ich wurde manches Mal von Arbeit weggeholt, weil sie was angestellt hatte. Ich hatte Gott sei Dank einen sehr toleranten Chef.

Die Oma wollte nie in ein Pflegeheim. Ich weiß gar nicht, was wir hätten tun sollen. Auch bei ihr blieb uns letztendlich eine Entscheidung erspart. Bei meinen eigenen Eltern verdränge ich den Gedanken, so furchtbar finde ich ihn. Man will nicht darüber nachdenken, so lange es nicht auf einen zukommt.

Liebe Grüße

Trine

 
Auch junge Eltern haben alte Eltern und Tanten und Onkeln; auch ich habe es bereits miterleben müssen, wie es ist, wenn geliebte Menschen alt werden - und auch leider weniger körperlich, vielmehr geistig abbauten. Es ist bedrückend, doch deine Eltern können sich, wenn auch eingeschränkt, noch einigermaßen selbst versorgen. Hilfe ist wohl notwendig, aber noch zu erledigen ohne das eigene Leben einzuschränken.

Eine Anmeldung im Pflegeheim oder in einem Stift für betreutes Wohnen finde ich wichtig. Das heißt ja nicht, dass sie sofort hinziehen möchte, sondern eine Art "Vormerken" sollte möglich sein. Natürlich stellt das für deine Eltern eine Überwindung dar, aber erklär es ihnen ruhig: es ist nur für den Notfall, der nicht unbedingt eintreten muss. Sie können so ihren Favoriten selbst aussuchen, das Haus schon einmal kennen lernen, ohne darin wohnen zu müssen. Und ein großer Vorteil: man ist dort nicht allein (teils findet man dort neue Freunde, wichtig, wenn ein Partner plötzlich nicht mehr da ist) und findet Ablenkung (durch Angebote) und wird betreut. Ich weiß z.B. dass das eine (inzwischen 90jährige) Bekannte unserer Familie sehr genießt und da den Stress mit alten Damen, die sich nicht mehr auskennen und gerne Mal Unsinn reden, vergisst. Aber bitte nicht, nie, das alte Paar gegen ihren Willen dorthin "verfrachten" - das schafft nur Traurigkeit und Resignation - solange es noch irgendwie geht.

Gruß,

milka

 
@plofre

gibt es bei euch keine teilzeitpflege, die zuhause erledigt werden kann?

bei uns heisst diese institution "spitex". die kommen zu den leuten nach hause

und helfen wos geht...

 
Ich stand vor rund 1 1/2 Jahren vor der Entscheidung, was ich mit einer Tante, damals 84, deren einzige Verwandte ich war mache. Sie war bis dato topfit, hatte dann aber einen Schlaganfall und es wr abzusehen, dass sie sich nicht wieder selbst würde betun können. In ein Seniorenheim wollte sie zeitlebens nicht, das war ihr größter Horror. Aber was sollte ich machen? Sie lebte 250 km von mir entfernt, da blieb keine andere Wahl und ich begann, alles Nötige in die Wege zu leiten. Letztlich kam es dann aber doch nicht dazu, da sie noch im Krankenhaus verstarb. ;(

Ich empfinde solche Einrichtungen prinzipiell als gut – sofern sie korrekt geführt werden, es gibt da ja immer mal wieder Skandalberichte – kann aber auch verstehen, dass viele alte Leute da partout nicht hinwollen. Muss man sich doch in gewissem Maße wieder in eine Gruppe integrieren, gibt einen Teil seiner Selbständigkeit und vielleicht damit auch Identität auf und fühlt sich vermutlich recht ausgeliefert.

Von daher ist die Variante mit einem ambulanten Pflegedienst wahrscheinlich das Beste für alle Beteiligten, sofern es solche Angebote gibt und es finanziell irgendwie hinhaut.

Generell macht es mir Angst, die Leute um mich herum altern zu sehen. Grade auch Verwandte, die ich irgendwie noch als Kindheitserinnerung so mit mir rumtrage: fesch, agil und voll prallen Lebens. Das sind sie zwar z.T. immernoch, aber man sieht halt deutlich den körperlichen Verfall ...