Hey Optimist,
ich antworte dir nun mal, ohne die anderen Antworten gelesen zu haben, dafür fehlt mir im Moment ein wenig die Zeit.
Zuerst einmal muss ich sagen, dass mir dein Schreibstil sehr gut gefällt. Du hast toll beschrieben, wie man sich eben fühlt, wenn man total verliebt ist und diese Person dann verliert, das alles kenne ich nur zu gut.
Was du erlebt hast ist etwas verständliches. Nicht alltäglich, aber irgendwo unüberraschend. Du triebst in deinem Leben so ein wenig umher, ohne wirklich sagen zu können, dass du dich besonders gut fühltest. Es war ok, aber nicht berauschend. Du hast deine Gewohnheiten - deine lange Beziehung, der gemeinsame Haushalt, die Bequemlichkeit - über dein Bedürfnis nach dem großen Glück gestellt und da war es völlig klar, dass irgendwann eine Bombe einschlagen musste. Und daraus würde ich eine große Lehre ziehen. Sobald man in seinem Leben merkt, dass es irgendwie nur noch eintönig voran schreitet, sollten sofort Alarmglocken losschrillen. Klar kann nicht alles immer wunderbar schillernd, strahlend, aufregend und neu sein, klar stellt sich selbst in der besten Beziehung, im aufregendsten Leben doch irgendwann mal Routine ein. Doch ich denke, dass es genau unsere Aufgabe im Leben ist, diese Routine irgendwie ab und an zu durchbrechen, etwas unerwartetes, außergewöhnliches zu tun, um glücklich zu bleiben. Denn, und das hast du wohl sehr genau fest gestellt, der Mensch strebt danach, glücklich zu sein und tut alles für sein Glück, wohl oft unterbewusst. Und aus diesem Grund bist du ausgebrochen, hast fast von heute auf morgen alles auf den Haufen geworfen. Und das ist nicht gut.
Du willst schließlich auch irgendwann mal eine Familie oder Kinder haben, nicht? Und gerade da ist Beständigkeit sehr wichtig. Ich weiß aus eigener Erfahrung wie es ist, als Kind die Trennung seiner Eltern erleben und dann damit klar kommen zu müssen. Kein wirkliches Hochgefühl, sogar ziemlich mies. Zwei andere Menschen treffen eine Entscheidung, die dein komplettes Leben ebenfalls völlig aus der Bahn wirft und es auch für immer verändern wird, ohne, dass du irgendetwas dafür kannst. Deswegen solltest du diese Erfahrung als eine sehr wertvolle hinnehmen.
Du solltest daraus lernen, dass eine Beziehung auch Arbeit bedeutet und nicht, das alles immer toll ist. Dass jeder seinen Beitrag leisten muss, die Sache am Leben zu erhalten und zwar nicht nur so, dass sie funktioniert, sondern dass beide wirklich glücklich damit sind, zumindest die meiste Zeit. Wenn ihr beiden nicht so eingeschlafen wärt und einfach nur noch nebeneinander vor euch hin gelebt hättet wäre es wohl nicht soweit gekommen, dass dich eine andere über das Internet völlig aus der Bahn werfen konnte.
ich will nicht altklug klingen, denn ich bin weder das eine noch das andere, aber ich glaube, dass es so sein muss. Und dass man nur dadurch eine beständige Beziehung führen kann, indem man nie aufhört denn anderen glücklich zu machen, ebenso wie sich selbst, dass man nie aufhört, für Abwechslung zu sorgen. Und wenn man merkt, dass man zwar zufrieden, aber nicht glücklich ist sollte man versuchen, etwas an diesem Zustand zu ändern anstatt zu schweigen und wenn das eben nicht möglich ist, sollte man gehen, ehe es zu spät ist.
Nun eine weitere Sache: Die Traumfrau gibt es nicht. Punkt.
Hier sollte es enden, denn es gibt bei diesem Thema kein wenn und aber. Es gibt einfach keinen Menschen auf der ganzen weiten Welt, der absolut perfekt für einen ist. Es gibt zwar Menschen, die besser zu einem passen als andere, aber davon wohl auch mehr als nur einen. Oder zwanzig.
Sie ist jedoch doch so etwas wie deine Traumfrau geworden und das aus dem Grund, dass du dich ihr als einzigen Menschen deines bisherigen Lebens öffnen konntest. Schön und gut. Aber frag dich mal, wieso das so war. Ganz klar, Medium Internet, Anonymität. Ganz klar, dass es dir leicht gefallen ist, ihr alles zu erzählen, denn du musstest ihr dabei nicht in die Augen sehen. Sie konnte nicht sehen, wenn dir etwas peinlich war, wenn du vielleicht rot geworden bist oder vor dem Monitor verschämt den Blick gesenkt hast. Sie konnte auch nicht sehen, was dich traurig machte, vielleicht hat sie es an deiner Stimme gehört, aber sie konnte nicht deinen wehmütigen Blick bemerken. Du warst ihr nahe, aber irgendwie doch wieder nicht. Was ihr ausgetauscht habt waren Worte, Erlebnisse, aber keine Gefühle, keine wirkliche Nähe. Du sagst, dass sie dir fremd war, als ihr euch das erste Mal begegnet seid und das trifft es wohl so ziemlich auf den Punkt. In diesem Moment hättest du merken sollen, dass ihr beide Fremde seid, Fremde, die viel miteinander gesprochen haben, die sich im Grunde genommen jedoch gar nicht wirklich kennen. Die nicht wissen, wie der andere aussieht, wenn er lacht oder wenn er weint. Denn, und das ist wirklich wichtig, Komunikation ist, entgegen dem was viele denken, nur ein Bruchteil das, was wir von uns geben und viel mehr das, was wir nicht beeinflussen können. Gesten, Mimik. Und genau deshalb würde ich sagen, dass dich deine Freundin besser kannte, als diese Internetbekanntschaft, weitaus besser, aber dass dir das eben nicht bewusst war, weil du gewisse Dinge ihr gegenüber nie erwähnen musstest.
Dennoch hattest du große Probleme mit diesem Menschen, der dich durch die lange Zeit, die ihr miteinander verbracht hattet, kennen lernen konnte, wirklich zu reden. Vielleicht weil du keine Schwäche zeigen wolltest. Vielleicht weil du dich im gewissen Sinne geschämt hast. Ich kenne das zu gut, ich hatte auch mal einen Freund über das Internet, vor 4 Jahren und da ging es mir genauso. Aber ich habe festgestellt, dass all diese Gespräche, die ich über das Internet führte und in denen ich meine Seele preis gab nichts gegen Gespräche sind, die man persönlich mit einem Menschen irgendwo in einem besonderen Moment führt. Diese Momente sind irgendwie intimer, weil man sich wirklich nahe ist, auch räumlich, also nicht steril vor dem Rechner sitzt und Worte von sich gibt.
Zusammengefasst will ich also sagen: Du warst nicht wirklich glücklich und deswegen konnte auch so leicht jemand dein Herz erobern. Du konntest mit ihr über alles reden, weil diese Barriere fehlte, die man erstmal überwinden muss, bevor man sich einem Menschen anvertrauen kann, einfach dadurch, weil ihr so weit voneinander entfernt wart und deswegen wurde sie etwas so besonderes für dich, etwas, ohne dass du im Moment nur schwerlich klar kommst, nur deshalb.
Dir geht es im Moment nicht gut, doch das wird verschwinden, sobald du begreifst, was das ganze eigentlich war. Tausende hätten an ihrer Stelle sein können, tausende, die dir einfach nur zuhören wollten, denen es selbst genauso ging und ebenfalls jemandem zum reden suchten. Im Internet ist das so leicht, eben aufgrund dieser Anonymität. Dazu musst du dir nur ansehen, wie hoch dieses Forum hier frequentiert ist.
Versteh mich nicht falsch, ich will das gar nicht schlechtreden, auch nicht das, was zwischen euch dann eben entstanden ist, was ich nicht beurteilen kann und will, ich war ja nicht dabei. Aber du musst versuchen, auch im realen Leben offen zu sein, mit einem Menschen, den du liebst über dein innerstes reden zu können. Denn genau das macht die Intimität einer Beziehung doch aus, dass man diesem Menschen eben Dinge erzählt, die man sonst niemandem erzählen würde. Und dass dieser Mensch Dinge über einen selbst weiß, die kein anderer jemals entdecken wird.