Das klingt schlimm. Was oft nicht beachtet wird: In einer solchen abhängigen Beziehung zu den Eltern ist das Kind nicht nur im negativen Sinne abhängig, es bekommt durch die Kontrolle natürlich auch einen Rahmen geboten, in dem es sich bewegen kann. Das ist - wenn auch paradox klingend - eine Sicherheit, an der es sich orientieren kann, auch als erwachsener Mensch. Bei einem Kontaktabbruch geht diese vermeintliche Sicherheit verloren - und da die Ich-Stärke hier fehlt, ist der äußere gegebene Rahmen der einzige, an dem sich festgehalten werden kann.
Da ich bereits über 30 bin würde ich mich nichtmehr als Kind bezeichnen. Klar, es gibt Kulturen in denen die Eltern ein Leben lang in diesem Eltern-Kind-Verhältnis leben aber bei uns hat es sich doch etabliert daß die kinder eines Tages eigene Wege gehen und ihren Eltern sogar bis zu einem gewissen Grad auf Augenhöhe begegnen können, oder?
Meine Schwester lebte bei der Mutter im gemeinsamen Haushalt bis sie weit über 30 war und sie hat mir einmal erzählt daß die Mutter seit ich mit 17 von daheim ausgezogen bin regelmäßig förmliche tobsuchtanfälle hat in denen sie mich als versager, schwuchtel und idiot beschimpft. Das konnte ich lange nicht glauben und stellte erst viel zu spät fest daß sie es bloß nicht fertigbrachte sich in Gesprächen auf eine Ebene herabzulassen die sinnvolle Kommunikation ermöglicht. Sie war immer bemüht das Bild der liebenden und lächelnden Mutter aufrechtzuerhalten. Deinem Thread nach wird Dir so etwas möglicherweise nicht ganz fremd sein.
Bei mir war es genau das Gegenteil eines Rahmens an dem man sich festhalten konnte. Sie setzte mir eigentlich wenig Grenzen und hoffte darauf daß ich mir in der Gesellschaft die Finger verbrennen würde und so immer bei ihr bleibe. Sie förderte sogar in gewisser Weise unreifes, provokatives und selbstzerstörerisches Verhalten da sie vielleicht hoffte daß sie dadurch irgendwie mein Vater zurückgewinnen könnte. Das ist kein "gesunder Rahmen".
Vermutung: Du erlebst deine Mutter (und deine Schwester) als (lebens-)bedrohlich.
Ja und es gab einige Vorfälle von früher Kindheit an bis zuletzt, die diese Empfindung gefestigt haben. Meine Schwester war jahrelang in ihrer geschlechtlichen Identität gestört und kämpft soweit ich weiß noch heute damit, experimentiert mit Hormonpräparaten und überlegt eine Geschlechtsumwandlung zu vollziehen. Ihr Leben lang hat sie sich vor Neid auf mich verzehrt, das musste ich auch erst richtig begreifen. Sie und die Mutter (und das ist auch der Grund warum ich das in einem Liebeskummer-Forum schreibe) scheinen stillschweigend darüber einig zu sein daß es ihr schlimmster Albtraum wäre wenn ich der Frau die ich liebe der Mann sein könnte den sie verdient. Um das zu verhindern haben sie schon früh die Weichen gestellt und gehen noch heute die Wände hoch wenn sie wittern daß eine Frau in meinem Leben sein könnte.
Du hast diese Angst im wahrsten Sinne des Wortes mit der Muttermilch aufgesogen.
Sich davon zu befreien wird lange dauern, und nicht einfach werden.
Hast du das Gefühl, die Therapie hat dir bisher geholfen?
Ich versuche zu lernen mit meinen Voraussetzungen zu leben. Hätte ich vor Jahren nicht mit einer Therapie begonnen wüsste ich nicht wo ich heute wäre. Da es jetzt gerade wieder akut ist müsst ihr euch diesen sermon durchlesen. Danke dafür, denn ich habe außer der wöchentlichen Therapie wenig outlet. Ich hoffe daß ich es diesmal besser meistern kann und mein Leben nicht erneut für einen stationären Aufenthalt unterbrechen muss.
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