Liebe Midnght Lady,
ein sehr grober Überblick zum Thema Therapie: In der klassischen Therapie werden zwei Formen unterschieden: Die psychoanalytische Therapie und die Verhaltenstherapie. Eine Psychoanalyse dauert normalerweise mehrere Jahre und besteht aus sehr regelmäßige Sitzungen (zwei- dreimal wöchentlich) von ca. einer Stunde. Die Psychoanalyse versucht, dich zu ergründen, alles über deine Prägungen herauszubekommen und dir einen vollständigen Überblick über deine Persönlichkeit mit allen Stärken und Schwächen zu geben. Nach Meinung der Verhaltenspsychologen (und auch nach meiner Meinung) ist sie weniger geeignet, um konkrete Situationen abzufangen, im Gegenteil, das "Herumrühren im Urschleim deiner Psyche" (ein befreundeter Verhaltenspsychologe über Psychoanalyse), bringt meistens erst einmal Phasen, in denen es dir noch viel viel schlechter geht. Und auf Besserung wartest du dann eben zwei Jahre. Dafür ist die Psychoanalyse fähig, sehr grundsätzliche Probleme anzugehen - und deshalb für Menschen gut, denen irgendwie ALLES schiefläuft, und die ohne eine solche Therapie überhaupt nicht mehr auf die Beine kämen. Vorsicht ist immer geboten: Psychoanalyse macht oftmals abhängig.
Verhaltenstherapie versucht dagegen, einen zeitlichen Rahmen zu setzen und ein konkretes Ziel zu benennen. Das Drumherum und die psychischen Grundlagen werden nicht grundsätzlich aufgearbeitet, sondern nur dort, wo sie das gesetzte Ziel tangieren. Wenn du also wegen einem momentanen Leidensdruck hingehst, der wegen Liebeskuimmer entsteht, wird man dich nicht fragen, ob du grundsätzlich Probleme mit Autoritären hast ... aber vielleicht schon, ob deine Familie dir in irgendeiner Weise Verlustängste mitgegeben hat. Das konkrete Ziel könnte zum Beispiel heißen: Ich will das Leiden loswerden und das Gefühl haben, von diesem Mann nicht mehr abhängig zu sein. Zeitrahmen: 25 Stunden, eine oder zwei wöchentlich. Und dann würdest du nach einigen Einführungssitzungen konkrete Handlungsoptionen gesagt bekommen, die du ausprobierst. Und die Therapeuten haben da eine Menge Instrumente auf Lager, das lernt man beim Studium - man glaubt es kaum.
Grundsätzlich laufen die meisten Therapiesitzungen als Gesprächssitzungen ab. Gestaltungs-, Musik-, Theater- oder andere Therapieformen sind eher selten. Dann gibt es noch solche Sachen wir "Familienaufstellen" oder so, aber teilweise ist das Scharlatanerie, da muss man vorsichtig sein - oftmals sind das auch keine ausgebildten Psychologen oder Therapeuten.
Die Qualität vom Gespräch hängt stark von der Person ab, die dir gegenüber sitzt. Es muss "passen", da hilft die beste Ausbildung nichts. Deshalb hast du auch die Möglichkeit, Probesitzungen zu machen und musst dich nicht sofort entscheiden.
Und wie läuft dann so ein Gespräch? Normalerweise darfst du erzählen, was dich bedrückt, weshalb du gekommen bist, was dich gerade beschäftigt und wie du dir vorstellen kannst, dass es besser wird. Die Therapeutin oder der Thearpeut achten dann darauf, was du wie erzählst, was du auslässt und was dir besonders wichtig ist. Und das sagen sie dir dann wiederum: "Warum sagen sie niemals etwas Schlechtes über ihren Ex?" oder "Wie kommt es, dass sie immer wenn sie von ihrem Ex sprechen auch sofort von seiner Mutter sprechen" oder solche Dinge. Dir fällt das nicht auf und wenn du es hörst, denkst du: Verdammt, da ist doch was. Vielleicht würdest du allein nie drauf kommen, aber plötzlich ist es glasklar. Und wenn dann ein paar Sitzungen gelaufen sind, bekommst du Aufgaben: Mache einen Vertrag mit dir selbst, formuliere Ziele und Pläne, setz dir Fristen, ersinne Ablenkungsmanöver, wenns dir schlecht geht ... Und in den nächsten Sitzungen wird überprüft, was besonders gut geholfen hat. Es sollte auch so sein, dass dir die erkenntnis selbst kommt, dass sie aus dir praktisch "herausgefragt" wird. Wenn ein Therapeut dir die ganze Zeit sagt, was zu tun ist, wirst du es später ohne ihn nicht hinbekommen. Du solltest lernen, dir auch selbst die richtigen Fragen zu stellen.
Und am Ende kannst du dann einige Mechanismen selbst erkennen, hast ein paar Handlungsoptionen, wenn es dir mal wieder schlecht geht und weißt erheblich mehr darüber, wie dein Inneres funktioniert. Im Idealfall. Manchmal aber auch nicht.
Soviel mal zu deiner Frage, darüber gibt es natürlich ganze Bücher, aber vielleicht hilft dir das schon ein bisschen weiter.
Viele Grüße,
little boy