Ich kann gut verstehen, dass du dir Vorwürfe machst, ich habe einen ähnlichen Fall im Freundeskreis und stehe vor einem ähnlichen Problem.
Ich habe auch die letzten ein einhalb Jahre immer wieder versucht, ihn (einen wirklich guten Freund von mir) dazu zu bewegen, irgendetwas dagegen zu tun, zumal ich ihn in einer Phase kennengelernt habe, in der er nichts genommen hat.
Dann kam ein krasser Einbruch, als seine Freundin ihn verlassen hat, mit der er mehrere Jahre zusammen war und die ihn ca. zwei Jahre lang betrogen hat.
Ich konnte sie einerseits verstehen, da sie jahrelang mit jemandem zusammen war, der seine Gefühle verdrängt, anstatt sich damit auseinander zu setzen, andererseits hat ihn das so sehr verletzt, dass er wieder anfing, seitdem geht es bergab.
Ich habe alles versucht, von streiten, über gut zureden, bis zum-Arzt-schleppen. Ich habe dort geschlafen, damit der Junge überhaupt mal schläft, habe ihn zum Essen gezwungen, ihn im Krankenhaus besucht (die Nieren sind schon geschädigt) , war tagssüber da, wenn ich nicht arbeiten musste, nachts obwohl ich dort kaum pennen konnte, ich habe mir bei Therapeuten Rat geholt (der im wesentlichen daraus Bestand, man solle den Kontakt abbrechen, haha) , habe Stellenangebote durchgesucht, nächtelange Gespräche geführt mit ihm und alles was dabei heraus kam war:
Er ist süchtig, da kann man halt nichts machen. (Seine Sicht)
Ich habe auch immer gedacht, dass ich ihm ja irgendwie helfen "müsste" , weil er es selbst ja nicht kann und vorallem, weil ich im Grunde auch eine sehr hohe Meinung von ihm habe.
Trotz allem ist er ehrlich, "zuverlässig" (wenn man Pünktlichkeit da mal ausschließt) , lieb, intelligent, freundlich.
Irgendwann ist das so belastend geworden für mich, dass ich mich auch distanzieren musste.
Und mich deshalb auch ziemlich mies fühle.
Ich muss auch ehrlich sagen, als ich das bei dir gelesen habe, ist mir das Herz in die Hose gerutscht....
Ich kann dir also gar nicht so viel sagen, ich kann dir nur sagen, wie ich versuche, damit umzugehen (derzeit, wer weiß, was da noch kommt, ich habe die komplette Gefühlspalette inzwischen durch):
Ich denke, jeder ist in erster Linie für sich selbst verantwortlich. Wenn du den Kontakt also abgebrochen hast, ist das dein gutes Recht, du hast eben eine für dich sehr belastende Situation verlassen.
Außerdem: Was wäre die Alternative gewesen? Dass du ihm beim sterben zusiehst und doch nichts daran ändern kannst?
Das Schlimme an Drogen aller Art ist ja, dass sie das eigene Ich "unterdrücken". Ich hatte immer den Eindruck, eine Sucht entsteht in mangelndem Selbstbewusstsein und das mangelnde Selbstbewusstsein hindert auch daran, die Sucht zu überwinden.
Wenn jemandem aber die Kompetenz fehlt, sich dagegen zu entscheiden, dann kann auch kein Außenstehender einem das einbläuen.
Das hast du ja jahrelang versucht, wahrscheinlich auf ähnliche Weise, wie ich das auch versucht habe.
Klar ist es traurig, vielleicht das traurigste überhaupt, daneben zu stehen und nichts machen zu können, damit der andere einsieht, dass es eben auch doch anders geht.
Ich denke, du hast versucht, was du konntest und du warst ja im Grunde bis zuletzt noch für ihn da.
Du bist nicht Schuld an seiner fehlenden Einsicht und was an Silvester passiert ist, hätte an jedem anderen beliebigen Tag genauso passieren können.
Vielleicht schon früher, vielleicht auch etwas später.
Wenn es aber schon so schlimm war, dann hätte ER die Notbremse ziehen müssen.
Du hättest das für ihn ohnehin nicht gekonnt.
Leider.