Halli Hallo - an euch alle! :schmatz:
Ich bin ziemlich traurig heute. Ich habe diesen Brief an ihn abgeschickt, und damit wohl endgültig jede Brücke abgebrochen zu ihm, zu irgendeiner Versöhnung zwischen uns beiden. Ich hab das schon auch mit dieser Absicht getan, doch heut ist mir klar geworden, das ich trotzdem noch einmal gerne mit ihm geredet hätte, über das Warum, über das Wie. Auf der anderen Seite weiß ich, das geht wohl nicht, denn nie wieder würde ich ihm meine Gefühle und Gedanken offenbaren, er mir ebenso wenig. Da waren wir so lange zusammen, und ich bin mir nicht sicher, was er nun denken oder fühlen könnte, so fremd ist er mir geworden.
Neulich traf ich einen alten Freund auf der Straße, wir gingen aneinander vorbei und sagten wohl nur Hallo, blieben nicht stehen…und ich war verletzt und enttäuscht, das man an jemandem den mal mahl so gern hatte, dem man vertraut und seine tiefsten innersten Gefühle offenbart hat, einfach nur noch vorbeigeht…und doch wusste ich tief in meinem Herzen das es ihm nicht gleichgültig ist, wenn er einfach so an mir vorbeigeht, da ist dieses alte Gefühl des sich in und auswendig Kennens, denn ich kenne ihn und seine Fassade so gut, und das war auch oft das Thema zwischen uns. Ist nur leider zuviel passiert, um jetzt noch mehr als Hallo sagen zu können…
Und bei meiner großen Liebe muss ich im Nachhinein erkennen, dass es so was zwischen uns gar nicht gab. Ich habe nur noch Angst vor ihm und seiner Reaktion, dass er mich wieder verletzen könnte. Ich weiß nicht wirklich und kann auch nicht erahnen, wie es ihm momentan ergehen könnte, und stelle eine gewisse Oberflächlichkeit zwischen uns fest, das wir uns nie richtig gekannt und uns nie richtig angenähert haben.
Solange es nur positive Gefühle zwischen zwei Menschen gibt, nie Konflikte, Streit, Probleme, kann das Verhältnis zueinander wohl auch nur oberflächlich sein, da man die andere, dunkle Seite des Menschen nicht kennt. Wir kannten immer nur die gute Seite an uns, das andere an uns und zwischen uns haben wir einfach übersehen und übergangen…
Was er anfangs nicht wusste, das ich in der „Hölle“ groß geworden bin, Vater Alkoholiker, Mutter psychisch krank, ich die Co-Abhängigkeit in Person. So ist mein Leben nur von Angst bestimmt gewesen, die ich jetzt nicht näher beschreiben möchte, ebenso wenig wie die näheren Umstände der Situation.
Ich konnte das lange Zeit gut verdrängen, war gut drauf und fröhlich. So lernte er mich auch kennen, doch irgendwann kam der totalitäre Zusammenbruch, in einer Zeit, in der ich schon längst nicht mehr in der Hölle gelebt habe, aber immer noch regelmäßig zu Besuch dorthin gefahren bin…
Letztendlich habe ich meinen Freund mit hinein gerissen in diese Geschichte, er hat auch zu mir gehalten, versucht mir zu helfen, obwohl ich nicht denke, das er mich wirklich verstanden hat. Er hat dieses bedrückende Thema immer ausgeklammert, wollte nichts davon wissen, nur ich, ich konnte einfach nicht mehr davonlaufen, nicht mehr länger verdrängen…
Das waren harte Zeiten, irgendwann begann ich eine Therapie, bekam eine Kur genehmigt, wo ich viel gelernt habe, vor allen Dingen ein Satz blieb in mir haften, der die Wende für mich bedeutet hat: „Jeder Mensch ist für sich und sein Leben selbst verantwortlich. Also konnte ich nun ganz getrost Vater Vater und Mutter Mutter sein lassen, und mich endlich um mich, mein Leben, meine Bedürfnisse kümmern. Das Ende dieser Kur fiel auf den Zeitpunkt unseres Zusammenziehens und dem Beginn meiner Therapie. Ja, ich habe mich in dieser Zeit sehr viel um mich gekümmert, aber ich kann mir nicht mal Vorwürfe machen, denn hätte ich das nicht getan, wäre ich einfach irgendwann „draufgegangen“. Dabei hab ich aber meinen Freund aus den Augen verloren mit seinen Bedürfnissen. Nicht von heut auf morgen, ein schleichender Prozess. Aber in all dieser Zeit haben wir immer wieder dieses Thema mit der Verantwortlichkeit diskutiert. Während ich die Verantwortung für so viele andere Leben übernommen habe, hat er seine Verantwortung meistens abgegeben, zum Teil an mich, zum Teil an seine Eltern, Freunde, Vorgesetzte (eine eigene Erkenntnis von ihm, also nicht meine Meinung, obwohl ich da nur zustimmen kann). Er hat sich treiben lassen, konnte keine eigenen Entscheidungen treffen, war leicht beeinflussbar. Trotzdem hat er auch immer wieder betont, das er die Verantwortung für sein Leben übernehmen will, und darunter verstehe ich auch, seine Bedürfnisse einzufordern, seinen Ärger zu äußern usw., halt die Zügel für das eigene Wohlergehen selbst in die Hand zu nehmen. Ich denke, er hat es nicht getan, da er mir doch auf meine Frage warum er mir nicht schon viel früher von seinem Unmut erzählt hat, immer mit der Antwort kam, das er stets nur auf mein Wohl bedacht war, und sich dabei selbst aus den Augen verloren hat. Wütend war ich das ich dafür wohl auch noch die Verantwortung übernehmen sollte Das tragische, das ich das nie von ihm verlangt habe und auch nicht gemerkt habe, das er sich für mich aufgibt!
Ich denke es ist schon eine Kunst, wenn man zusammenzieht, dann immer noch so aufmerksam zu bleiben wie am Anfang, sich vom Alltag, der Eintönigkeit, Frust und Problemen nicht auffressen zu lassen. Wir haben das nicht geschafft, uns nicht mal bemüht, hinzu kam noch das eben beschriebene Dilemma. Unsere Liebe war ja quasi von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ich hätte es zum damaligen Zeitpunkt auch nicht besser machen können. Man lernt ja gerade erst aus seinen Fehlern, was für eine bittere Ironie! Ich hab viel gelernt, wofür ich zwar auch dankbar bin, aber was für einen Preis hab ich dafür bezahlt? Es ist nicht mal so, dass ich mir Schuldgefühle mache. Besonders nicht seit ich diesen Spruch gelesen habe: Ich vergebe mir, denn ich wusste damals nicht, was ich heute weiß.
Nur ist es heute zu spät, um alles schief gelaufene wieder hinzubiegen.
Ich würde gerne mit ihm über dieses Thema reden, ich denke es spielt eine große Rolle bei dem Warum. Er selbst sagte zu mir, das er mir nicht böse ist (ich bin mir auch nicht bewusst, jemals etwas böses getan zu haben, und schon gar nicht mit Absicht, eher hab ich das was ich getan hab, aus tiefer Verzweiflung getan, und dafür werde ich mich nicht entschuldigen). Er sei nur meinen Eltern böse...
Trotz all dieser Traurigkeit in mir um das für immer Verlorene, kann ich aber auch nicht zurück, und ich bin wohl weit davon entfernt, ihm das Wie der Trennung zu verzeihen. Das wäre bei allem nicht nötig gewesen. Aber gerade das was mich an ihm so fasziniert hat, dieses unreife, sorglose, kindliche Verhalten - das absolute Gegenteil zu meinem Vater - ist wohl auch eine Erklärung dafür, wieso er die Trennung auf diese Art und Weise durchgezogen hat. Das ich nicht die einzige Freundin war, die er so abserviert hat, wusste ich zwar schon vorher, ich bin aber immer davon ausgegangen, das er reifer geworden ist, da er ja eingesehen hatte, das er diesem anderen Mädel gegenüber nicht besonders fair gewesen ist, und ebenso dachte ich, bei unserer „tiefen, innigen“ Lieben wird das so nie passieren, zumal wir ja sowieso ewig zusammenbleiben...
Ich glaub, für heut ist erst mal wieder genug geredet…