Hi Venice!
Syn ist grade zwar in seiner Beziehung glücklich, aber nicht wirklich mit seinem eigenen Leben. Mein Mädchen läßt zwar nicht mehr alles schwarz aussehen, aber dennoch ist nicht alles Hurra bei mir. Vielleicht konnte ich deshalb auch deine Gefühle so treffend wiedergeben. Ich war (noch) bei keinem PT, aber ich denke, ich werde diesen Schritt demnächst machen. Um mit ein paar Sachen aufzuräumen, die ich keinem sonst erzählen würde, außer einer Person außerhalb meines Freundes-/Familien/Liebeskreises. Bisher habe ich recht gut Selbstdiagnose und Selbsttherapie betrieben, aber ich denke, für den letzten Rest brauche ich Hilfe.
Was deinen Ex angeht: So wie du ihn und seine Reaktionen beschreibst, kenne ich das von mir und neuerdings auch von einem Freund von mir. Bei ihm hätte ich das auch nie gedacht. Wir Menschen tragen halt doch immer wieder Masken, um nach außen "normal" auszusehen. Jener Freund flippt in letzter Zeit unter Alkoholgenuß immer wieder aus. Er wird nicht gewalttätig, aber sehr laut und aggressiv und sagt Dinge, die man nicht glauben kann. Eine gute Freundin von mir war mit ihm zusammen, für kurze Zeit. Dann ist er fremdgegangen. Warum, das verstehe ich nicht wirklich. Er will sich nicht binden, er hat Angst davor. Angst davor, verletzt zu werden. Wahrscheinlich war der Seitensprung eine Art Trotzreaktion. So, wie ich ihn verstehe und seine Handlungen in letzter Zeit hat er ein ziemliches Problem mit sich selbst. Er sagte zu seiner "Ex", daß sie ihm auf die Nerven gehen würde und klammern würde. Dabei hat sie schon längst kapiert, daß es nix mit ihm wird und geht auf Distanz. Er ist es, der sie anruft. Fast täglich. Er sagt, daß ihn keiner wirklich kennen würde und daß er keine Freunde hat. Damit stößt er alle vor den Kopf. Stress im Studium, grade keinen Führerschein (weil der Depp besoffen gefahren ist :tongue: ) und unregelmäßiges Einkommen tragen ihren Teil bei.
So ein Mensch ist schwer zu handhaben. Man braucht echt Geduld dafür, aber vor allem muß er selber wollen, daß ihm andere helfen. Ich habe auch einsehen müssen, daß ich mich ohne Hilfe von außen immer weiter in meinem Kreis drehe, in jener wundervollen Spirale abwärts. Warum? Weil es manchmal nötig ist, die Dinge von einer anderen Perspektive zu betrachten, und diese kann nur von außen kommen.
Deshalb sage ich: Vergiß deinen Ex. Oder besser gesagt: Kümmere dich jetzt nicht um ihn. Er muß selber begreifen, daß es Hilfe von außen gibt und es selber wollen, diese Hilfe anzunehmen. Ich glaube nicht, daß er schon soweit ist. Wenn meine Ferndiagnose richtig ist.
Im Moment gibt es für
Dich echt wichtigeres als ihn, nämlich Du selbst. Es gibt ein Sprichwort, daß besagt, daß man nur dann wirklich lieben kann, wenn man sich selber liebt. Da ist was Wahres dran. Auf dich bezogen heißt es, daß du erstmal mit dir selber fertig werden mußt, bevor du dich um andere kümmern kannst. Und damit meine ich keine Tipps in diesem Forum, sondern reale Hilfe für deinen Ex oder jemand anderes aus deinem realen Leben. Dafür ist aber jetzt noch nicht die Zeit. Vielleicht später. Jetzt bist erstmal du selber das Wichtigste.
Ja, dieser Songtext sagt, daß ein starker Wille und Leidenschaft (passion ist echt doof zu übersetzen, irgendwie fühlt sich Leidenschaft als Übersetzung nicht richtig an) den Autor davon abhält, daß Opfer zu sein. Bei meinem eigenen großen Liebeskummer vor einigen Jahren weiß ich auch nicht, ob ich diese Aussage in die Praxis umgesetzt hätte können. Erst Jahre später habe ich verstanden, was dieser Text wirklich meint. Es ist vielleicht auch so eine "Nase voll" Einstellung, jedenfalls für mich. Vielleicht habe ich auch erst danach gelernt, wie ich mit Liebeskummer umgehe. Vielleicht wird die Kernaussage dieses Textes mich auch in Zukunft davon abhalten, depressiv zu werden.
Ich weiß ganz genau, daß Wille und Leidenschaft nicht aus dem Nichts kommen können. Aber woher sie kommen, daß kann nur jeder selbst wissen.
Du fragst dich, an was du an dir selber glauben sollst. Deine Antworten sind aber eigentlich keine, sie sind eher die depressiven Reflektionen deiner eigenen Meinung über dich und deiner Vergangenheit. Daß man dich ausgenutzt hat, daß du mit nichts dastehst außer Schulden. Das ist natürlich nicht besonders schön. Aber warum der ganze Selbsthass, wenn das doch "nur" deine Vergangenheit ist? Du bist Venice, die auch dann noch anderen helfen will, wenn es ihr selber echt dreckig geht. Du bist Venice, die in der Disko von Typen angequatscht wird, was wohl bedeutet, daß sie irgendwie attraktiv sein muß. Du bist Venice, die mehrere Kinder in diese Welt gebracht hat. Du bist Venice, die in einer Beziehung immer 100% gibt, was nicht alle Menschen dieser Welt tun. Du bist Venice, die immer noch kämpft, auch wenn die ganze Welt sie anzugreifen scheint. Du bist Venice, die am Rande der Verzweiflung und Selbstaufgabe steht aber es immer noch nicht getan hat.
Jaja, ich kann nur die Dinge zusammenfassen, die ich hier über dich lese, denn ich kenne den wirklichen Menschen Venice nicht.
Deine eigene Signatur solltest du dir nochmal durchlesen. Ja, für die Schwachen ist die Zukunft schwarz. Weißt du eigentlich, wie tapfer du selber bist? Wenn du aufgegen hättest, dann hätte es wohl in Nürnberg eine Todesanzeige gegeben. Aber du bist immer noch hier. Und das ist gut so.
Ich schüttle übrigens nicht den Kopf über dich. Aber wirklich helfen kannst nur du dir selber. Mein Mädchen hat auf ihrem Spiegel stehen "Hallo mein liebes Ich". Jeder Mensch hat wohl mal seine eigene Phase der Dunkelheit. Aber man kann sich nur selber das Licht bringen. Der Weg dazu ergibt sich. Man muß ihn nur gehen wollen, und du bist grade dabei. Der Weg ist hart, steinig, dunkel und mit Dornen versehen. Geh weiter.
Es wird einen Tag geben Venice, an dem du auf dies alles zurückschaust. Es wird ein schöner Tag sein, und die Venice, die in genießt, ist eine andere als die heutige. Sie ist stärker als die heutige, denn sie hat ihre eigene Hölle gesehen und sich da heraus gezogen. Sie hat alle Probleme gelöst.
Viele Menschen "eiern" irgendwie durchs Leben, einem Leben ohne wirkliche Höhen und Tiefen. Was sagen sie am Ende ihres Lebens, wenn man sie fragt, ob sie wirklich gelebt haben? Nicht viel wahrscheinlich. Aber Menschen wie du können sagen, daß sie wirklich gelebt haben, ein Leben mit Höhen und Tiefen.
Lebe es.
bye,
syn