Ähemm....
Verschiedene Bedeutungen des Wortes „Vergebung"
1. „Vergebung" bedeutet zunächst das Überwinden von Groll- und Hassgefühlen
gegenüber einem anderen, der mir und meinen Interessen geschadet und meine
Rechte verletzt hat.
Vergebung wird hier gegenüber einer Person geübt, die nicht mehr das Ziel
von negativen Energien ist.
Es gibt kein Gedankenkreisen mehr,das sich nur noch mit der Verletzung beschäftigt.
Der Blick wird wieder nach vorn gewandt.
Derjenige, der das Unrecht verübt hat, kann wieder als ganze Person
wahrgenommen werden.
Der Wunsch, ihm zu schaden, ist überwunden.
In der christlichen Botschaft ist diese Form der Vergebung mit der Feindesliebe
verbunden.
2. „Vergebung" kann auch die Bedeutung von „Verzeihen" haben.
In „verzeihen" steckt das Wort „Verzicht".
Vergeben heißt dann, darauf verzichten, eine Wiedergutmachung
oder einen Ausgleich für erfahrenes Unrecht zu erhalten.
Die Wörter Verzeihen und Vergeben werden allerdings auch leicht unterschiedlich gebraucht.
Im Gegensatz zu Verzeihen setzt Vergeben immer Schuld voraus.
Ich kann eine Tat verzeihen, indem ich sie nicht als Schuld anrechne,
z.B. bei kleinen Verstössen gegen gutes Benehmen oder bei nicht wissentlichem Handeln.
Ich bin nachsichtig, das heißt, ich trage dem anderen seine Tat nicht nach.
Ich verzichte dann auf einen Ausgleich, weil ich die Tat nicht als eine Beeinträchtigung
der beiderseitigen Beziehungen sehe.
Wenn allerdings eine Handlung mit Schuld verbunden war,
weil ich dem anderen etwas schuldig geblieben bin, was ihm aufgrund unserer
Beziehung oder seiner Rechte als Mensch zugekommen wäre, dann hat der
Verzicht auf eine Wiedergutmachung einen anderen Hintergrund.
Diese Art des Vergebens setzt voraus, dass soweit Heilung des geschehenen Unrechts passiert
ist, dass ein Ausgleich für das Unrecht nicht mehr notwendig ist, z.B. weil eine
Form von Wiedergutmachung stattgefunden hat, oder weil die zugefügte Wunde
auf andere Art verheilt ist, so dass kein Ausgleich mehr nötig ist
3. „Vergeben" in der dritten Bedeutung bezieht sich nicht auf die Person, sondern auf die Tat.
Ich vergebe eine Tat, wenn ich ihr in der Fortsetzung der Beziehung keine Bedeutsamkeit mehr zumesse.
Das heißt, die Beziehung ist für mich durch die Tat nicht mehr beeinträchtigt.
Der andere hat keine Schulden mehr bei mir, die er in der Beziehung in irgendeiner Form abtragen muss.
(Beispiel: Außenbeziehung in einer Ehe).
Im theologischen Bereich ist dies gemeint, wenn von der Sündenvergebung durch Gott die Rede ist.
Die Beziehung des Sünders zu Gott wird damit wieder hergestellt.
Gott rechnet die Sünden im Verhältnis zum Menschen nicht mehr an.
In der ersten Bedeutung kann Vergebung ein einseitiger Akt sein, der sich nur im
Inneren der verletzten Person abspielt.
In der zweiten Bedeutung des Verzichtens kann die Beziehung zum Täter bereits
eine große Rolle spielen, da sie durch Wiedergutmachung gefördert wird.
In der letzten Bedeutung ist Vergebung ein zweiseitiger Akt,
der Reue und den Willen zur Umkehr auf der Seite des Täters voraussetzt.
EDIT: Magnus: erst hier fängt die Möglichkeit des Verzeihens an.
Bedeutsam für das Thema der Vergebung ist die mehr oder weniger ausgeprägte Form von Verdrängung.
Es kann die Tatsache erinnert werden, dass körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt angewandt wurde,
aber es wird noch nicht verstanden, wie sehr diese Gewalt der eigenen Person geschadet hat.
Vergebung beruht in diesem Stadium häufig auf der Verleugnung der Realität.
Sie wird oft gewährt, weil das Opfer noch sehr stark vom Täter abhängig ist und Autonomie vom Täter noch gar nicht in Betracht kommt.
Diese Form der falschen und verfrühten Vergebung kann bei allen Formen der häuslichen Gewalt vorkommen,
also bei Gewalt von Eltern gegenüber Kindern und auch bei Gewalt zwischen Ehepartnern.
Sie bedeutet eine Gefahr für das Opfer, weil die bestehenden Strukturen dadurch gefestigt werden.
Täter rechtfertigen Gewalt häufig damit, dass sie dem Opfer bestimmte Eigenschaften oder Absichten zuschreiben.
Das fünfjährige Mädchen wird schon als Verführerin gesehen, der Sohn, der geschlagen wird, ist aufsässig und ungezogen.
Der Ausländer, der zusammengeschlagen wird, ist ein Schmarotzer, der den Staat ruiniert.
Auf jeden Fall hat aus der Sicht der Täter das Opfer sein Leiden in irgendeiner Form verdient.
Bei großer psychischer Abhängigkeit bildet sich im Opfer ein Täter-Introjekt,
d.h. ein Selbstbild, das dem des Täters entspricht.
Das Opfer fühlt sich wertlos, klein und vor allem selbst schuldig.
Die Schuldzuschreibung für das Geschehen kann für das Opfer auch die Funktion haben, sich wenigstens noch
einen Teil von Macht über das Geschehen zubilligen zu wollen, denn es scheint
immer noch leichter zu ertragen zu sein, schuldig zu sein als völlig ohnmächtig.
Doch der Preis dieser Bewältigungsstrategie besteht in einem hohem Scham- und
Schuldgefühl, aber sehr geringem Selbstwertgefühl.
Vergebung kann in dieser Phase bedeuten, dass die Verletzung der eigenen Rechte
nicht in ihrem vollen Umfang wahrgenommen wird.
Vergebung geschieht dann aus einer mangelnden Wertschätzung der eigenen Person und ihrer Würde.
Auch diese Form der Vergebung entspricht natürlich nicht dem, was mit dem christlichen Vergebungsgebot gemeint ist.
Tante Edit
as will ich im besonderen zu bedenken geben:
Ich für meinen teil würde einen unterschied machen, zwischen vergeben und verzeihen - es gibt dinge auf der welt, die jemanden angetan wurden (ermordung von kindern z.b.)
von denen ich mir schwer vorstellen kann, ob man die jemals "verzeihen" kann... das wäre doch arg simpel.
aber dem mörder (oder unfallfahrer...) vergeben für seine unfähigkeit anders zu handeln, ist schon eher vorstellbar,
aber verzeihen kann man so etwas wohl nie (mit dem gefühl, daß dann alles "wieder gut" ist..., das geht einfach nicht)
also es ist schon eine frage von bedrohlichkeit und der konsequenzen für das gesamte eigene leben,
was verzeihen möglich macht oder nicht
und insofern denke ich, kann ein mensch auch ein recht darauf haben, nicht verzeihen zu können / müssen ..
ob das gut für ihn ist, ist eine andere frage
aber für viele menschen ist die aufforderung "zu verzeihen" auch mit dem gefühl von verrat verbunden
(z.b. an dem getöteten kind)
deshalb können viele mit der aufforderung "zu verzeihen" auch schlecht umgehen...
wenn man sie fragen würde, ob sie vergeben würden, aber nicht verzeihen müssen, geht das oft schon eher...
(und ist auch mit entlastung beim betroffenen verbunden)
dann gibt es allerdings noch menschen, die ihre kränkungen (auch nicht so ganz dramatischer natur)
bis ans lebensende pflegen und nicht loslassen können, die holen ihren schmerz immer wieder hoch,
der wird dann irgendwie zum lebensinhalt..
menschen, die weder vergeben noch verzeihen können, werden oft entweder immer empfindlicher
oder noch unzufriedener
(bis zu erhöhten gereiztheiten und aggressivitäten, nicht selten auch depressiv);
insofern ist es für einen selbst schon wichtig mit einer sache auf irgendeine weise seinen frieden zu machen -
weil kränkungen und schmerz etwas selbstzerstörerisches haben, sie richten sich gegen einen selbst...