Ich finde deinen Thread in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Zwar hat er als Grundlage ein 0815-Problem, das für dich selbstverständlich individuell als sehr schmerzvoll und verletzend empfunden wird, jedoch sind deine persönlichen Umstände aus meiner Sicht hier im Forum nicht so häufig anzutreffen.
Du bist aus nachvollziehbaren Gründen enttäuscht, traurig, verletzt und fühlst dich zurückgewiesen bzw. unattraktiv, zumindest machst du dir über deine Attraktivität Gedanken. Ich denke, dass das in so einer Situation verständlich ist und ich finde es auch grundsätzlich gar nicht schlecht, sich auch in einem schwierigen Lebensmoment mal Gedanken über sich oder mögliche eigene Verhaltensweisen zu machen.
Unterm Strich wird doch aber bei dir deutlich, dass du ein durchaus sehr zufriedenes und erfüllendes Leben gelebt hast. Gerade auch in den zehn Jahren ohne Beziehung. Schau dir das Forum an, viele Menschen wissen mit sich selber kaum etwas anzufangen und verzweifeln bei dem Gedanken, keine Beziehung zu haben. Du tickst da offensichtlich anders. Nicht ohne Grund wirst du weiterhin dein eigenes Leben, trotz Beziehung zu deinem Ex-Freund, gelebt und eine gewisse Distanz bewahrt haben. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, da du damit ja offensichtlich auch zufrieden warst. Nichtsdestotrotz besteht aber genau darin das Problem, wenn eben der Beziehungspartner nicht so tickt und es ein Ungleichgewicht hinsichtlich der Wünsche oder des Lebensplans gibt.
Für sehr viele Menschen, die in Beziehungen stecken, wäre es völlig "normal" oder sogar "erforderlich", die Eltern des Partners kennenzulernen bzw. zu treffen und für sicher auch nicht wenige gehört dies zu einem Ritual, welches eben als Zeichen für Nähe, Vertrautheit, Höflichkeit, Identifikation oder ähnliches gesehen wird. Weil viele so denken, heißt es nicht, dass es notwendig oder richtig wäre. Wenn du auf solche Begegnungen verzichtest und es nicht deinem Wunsch entspricht, weil es dir nicht wichtig ist, dann ist das völlig in Ordnung. Für deinen Ex-Freund wäre es aber möglicherweise aus den oben genannten Gründen wichtig - d.h. irgendeiner von euch beiden wird wohl zurückstecken müssen. Wahrscheinlich hat er das gemacht und dann wäre dabei die Frage, ob er das mit der Faust in der Tasche "etragen" hat.
Es gibt auch selbstverständlich überhaupt keinen Grund, eine Beziehung so zu definieren, dass man zusammen wohnen muss. Natürlich werden sehr viele oder die meisten Menschen aufspringen und dir sagen, dass das ja dann keine Beziehung sei. Aber was du als Beziehung oder Liebe empfindest und leben möchtest, muss eben überhaupt nicht dem entsprechen, was eine deutlich gefühlte Mehrheit zu wissen glaubt. Trotzdem gilt auch hier, dass dein Ex-Freund wahrscheinlich derjenige war, der an dieser Stelle zurückstecken musste. Während für dich die "Distanz" eher kein Problem war, hat er sich aber genau das Gegenteil gewünscht. Ich persönlich glaube, dass das nur in den allerallerseltensten Fällen gut geht.
Ein weiterer Punkt scheint die Art oder Häufigkeit zu sein, mit der ihr euch gegenseitig eurer Zuneigung versichert bzw. diese ausgedrückt habt. Offenbar war er hier der "aktivere" und deutliche Worte Wählende, du hast dich in der Hinsicht eher zurückgehalten. Der Grund ist eigentlich egal. Natürlich gibt es gewisse Lebensumstände oder Erfahrungen, wonach sich Menschen mit ihren Äußerungen oder Empfindungen zurückhalten. Bei dir scheint es mir aber so zu sein, dass du vielleicht tendenziell diesbezüglich eher zurückhaltender bist. Auch hier bin ich der Meinung, dass allgemein viel zu dogmatisch auf drei Worte geachtet wird, die eben am Ende doch nur drei Worte sind. Es wäre allerdíngs an der Stelle interessant, warum du ein "ich liebe dich" deines Freundes, so, wie ich es verstanden habe, sehr schätzt, wenn es dir umgekehrt eher nicht in den den Sinn kam, gleiches zu äußern. Wohlgemerkt, ich finde nicht, dass das soooo wichtig ist, aber es liegt auf der Hand, dass du dich auch hier mit deinem Ex-Freund im Ungleichgewicht befandst.
Versteh mich nicht falsch. Ich lese sehr deutlich heraus, dass du traurig bist und im Moment sehr viel grübelst. Aber die Art, wie du schreibst und dich erklärst, wie du auch ziemlich geradlinig - trotz Trauer - die Kontaktsperre hältst, auch das spricht für mich ganz klar dafür, dass du mit dieser Situation im Gegensatz zu ganz vielen anderen gut umgehen kannst.
Auch, wenn du der Zeit mit deinem Ex-Freund hinterhertrauerst und dich fragst, wie du ihn vielleicht zurückgewinnen kannst und auch, wenn du an der (sehr) kurzen gemeinsamen "Wohnzeit" gefallen gefunden hast und hängen magst, so würde ich mir dann doch an deiner Stelle klar machen, dass ihr beide offensichtlich sehr unterschiedliche Bedürfnisse hattet und habt und dass die Zusammenführung derselben eben eines großen Geschickes bzw. vieler Kompromisse bedarf. Du müsstest dich jetzt, aber auch im Hinblick auf die Zukunft für dich selber fragen, ob und aus welchen Gründen du bereit bist, Kompromisse einzugehen.
Wie bereits vor mir festgestellt wurde, würde ich dir attestieren, dass du es in erster Linie genossen hast, geliebt zu werden. Und du hast wohl Gefallen daran gefunden, dass es jemanden in deinem Leben gibt, zu dem du eine emotionale Bindung hast, der dir Aufmerksamkeit schenkt usw. Als Außenstehender würde ich denken, dass das jetzt eine gute Gelegenheit ist, um zu überlegen und festzustellen, ob du nicht eher mit jemandem glücklich wärest, der eine ganz ähnliche Lebensauffassung wie du hat und möglicherweise ebenso eine etwas (räumlich) distanziertere Art von Beziehung schätzt.