Reichtum… es gibt vermutlich grob zwei allgemein bestehende Auffassungen. Zum einen dürften viele mit Reichtum in Verbindung bringen, dass sie sich materiell alles leisten können, was ihnen in den Sinn kommt. Zum anderen werden viele der Ansicht sein, Reichtum drückt sich eher auf geistig-ideeller Ebene aus (Gespräche, Menschen, Eindrücke, die das persönliche Leben „bereichern“). Die Frage wäre für mich eher, warum Menschen etwas als „Reichtum“ definieren und in welcher Hinsicht dies von Bedeutung sein könnte.
Das gleiche gilt für den Freiheitsbegriff. Egal, ob man bemüht ist, einen individuellen oder einen für die Allgemeinheit geltenden Freiheitsbegriff definieren zu wollen: Die zentrale Frage wäre für mich, was uns veranlasst, einen solchen Gedanken überhaupt zu entwickeln, woraus und aus welchen Empfindungen/Instinkten er resultiert.
Reichtum, Freiheit… diese Begriffe münden schlussendlich doch wieder in der (individuellen) Sinnfrage des Lebens. Ich persönlich komme immer wieder zu dem Punkt, dass sich hier ein Widerspruch offenbart: Das Leben verläuft zu jedem Zeitpunkt zweckgerichtet. Schullaufbahn, Ausbildung, Beruf. Freundschaften, Liebe, Zeit miteinander verbringen. Essen, um satt zu werden. Geld verdienen, um das Essen bezahlen zu können. Oder auch, essen, um zu genießen (eine Variante von Freiheit) und Geld verdienen, um sich seine Träume zu verwirklichen (eine weitere Freiheits- bzw. Reichtum-Variante). Egal, was wir tun, alles ist zweckgerichtet. Hab ich keine Lust, mich dem geregelten Arbeits- und Gesellschaftsleben anzupassen und steige aus, verfolge ich auch hier eine Absicht. Gerate ich unschuldig in bedrohliche oder existentielle Situationen, habe ich die („freie“, eingeschränkte) Wahl, mich aus diesen zu retten oder zu resignieren. Habe ich Sex, dient das neben dem Gefühl auch ganz zweckgerichtet der Befriedigung psychischer oder physischer Bedürfnisse. Heirate ich und gründe ich eine Familie, hat auch dies einen Zweck… nämlich, z.B. das Bedürfnis, Harmonie ausleben oder Verantwortung übernehmen zu können. Lege ich mich schlafen, dann tue ich dies in erster Linie, um mich zu regenerieren. All diese Dinge können kleine oder größere Rollen in unserem jeweiligen Verständnis von Freiheit und Reichtum spielen. Jede Handlung ist aber immer zweckgerichtet.
Interessanterweise ist aber die übergeordnete Frage, welchen Sinn und Zweck das große Ganze hat, genauso wenig beantwortet, wie die ebenfalls zweckgerichteten Fragen nach Reichtum oder Freiheit. Wenn es einen Sinn gibt, bleibt die Frage, warum er sich den Menschen nicht klar zu erkennen gibt. Gibt es keinen, was ja ebenso möglich wäre, dann ist es verwunderlich, dass Menschen in ihrem Geist solche Gedanken entwickeln. Besteht der Sinn im Leben an sich, bleibt es auch hier erstaunlich, dass der Mensch seit Generationen diese Möglichkeit nicht als Tatsache akzeptiert (Ausnahmen wie immer ausgenommen). Also: Welchen Zweck erfüllt der Gedanke, über einen Lebenssinn nachzudenken, welchen Sinn hat es, sich über dessen irdische Beschäftigungswerkzeuge Reichtum oder Freiheit den Kopf zu zerbrechen? Natürlich kann der Zweck auch darin bestehen, sich das Leben erfreulicher zu gestalten - aber dafür reichten ja im Grunde auch Instinkte.
Alle Fragen sind auch immer eine Frage des Kontextes. Man kann Reichtum materiell oder immateriell interpretieren. Naturvölker mögen hier eine andere Auffassung haben als Menschen aus industrialisierten Ländern, Kinder haben vielleicht ein typisch kindliches Verständnis in dieser Frage – im weitesten Sinn wird es aber immer um Besitz gehen. Warum ist es aber wichtig, Reichtum oder Besitz zu definieren und welcher Quelle entspringt das Bedürfnis, etwas besitzen zu wollen? Der Verdacht liegt nahe, dass es sich hier um evolutionäre Instinkte sowie um zivilisatorische Prägungen handelt, denn Neugeborene werden wohl kaum klare Differenzierungen vornehmen. In dem Zusammenhang ist ebenfalls nicht uninteressant, dass zumindest ich eine der zentralsten Lebensfragen nicht frei entscheiden konnte, nämlich, ob ich überhaupt auf die Welt kommen wollte.
Begriffe wie Reichtum und Freiheit bzw. deren Definition/Interpretation scheinen mir daher in erster Linie abhängig von Zeit-, Raum- und Lebensabschnitten sowie der Existenz eines Bewusstseins. Zumindest für meinen Freiheitsbegriff sind mir das eindeutig zu viele Einschränkungen, um allgemein von Freiheit oder Reichtum sprechen zu können. Die im klassischen Sinn interpretierten Begriffe Reichtum und Freiheit befähigen jedenfalls weder mich, noch sonst irgendeinen Menschen, tun und lassen zu können, was man selber will (sofern es überhaupt einen freien Willen gibt).