Ja ... die Treue!
Ich habe mich schon oft gefragt, wie das ist mit der Treue. Und ich habe schon verschiedene Formen gefunden, innerhalb einer Beziehung damit umzugehen. Als rationaler Mensch rechne ich jedenfalls nicht mehr damit, dass in einer Beziehung körperliche Treue herrscht, bis dass der Tod uns scheidet . Erstens spricht die Statistik dagegen, zweitens meine Lebenserfahrung (ich war mit 21 auch mal untreu und habe doch geliebt) und zum dritten auch die gesellschaftlichen Entwicklungen.
Die totale körperliche Treue war schon immer ein romatisches Konstrukt und wenn man die Gesellschaftsformen betrachtet, die früher als "Hochkulturen" galten, so war sie nicht besonders verbreitet, nicht mal als Wert. (Bei den Griechen war es zum Beispiel normal, das ein heranwachsender Knabe eine Art "Mentor" bekam, dem er freiwillig als Lustknabe zur Verfügung stand. Und die Griechen haben bestuimmt nicht in primitiven und verachtenswürdigen Verhältnissen gelebt) Das Ideal, dass ein Mensch für den anderen bestimmt sein solle, ist nicht einfach so gegeben oder kommt aus der Natur, sondern es ist ein gesellschaftliche Idee, u.a. festgelegt in dem größten Werk zu Gesellschaft und Zusammenleben, der Bibel.
Aber was haben wir davon? Welchen Gewinn haben wir aus der körperlichen Treue eines Menschen? Männer wollen nicht, dass ihre Frauen von anderen schwanger werden oder Krankheiten anschleppen. Dann sollen die Frauen eben verhüten und auf Kondom bestehen. Ebensolches gilt umgekehrt. Fertig. Fertig?
Nein, noch lange nicht. In der Zeit, in der wir leben, gibt es keine Sicherheiten mehr, weil alles schnelllebig und beliebig geworden ist. Also wünschen sich die Menschen die Sicherheit umso mehr. Es soll nicht für alles ein Umtauschrecht geben, Liebe soll kein Garantiefall werden: Bei Nichtfunktionieren wird ausgetauscht. Deshalb steigt die Sehnsucht nach körperlicher Treue auch wieder. Und sie zu geben und dafür einzustehen, bedeutet einen Verzicht, ein Opfer, einen "Preis" an dem man den "Wert" einer Beziehung messen könnte, wenn man es möchte. Dem stimme ich erst einmal zu, aber nicht absolut , sondern nur grundsätzlich .
Wie bei so vielen Dingen im Leben gibt es einen Unterschied zwischen der Zielsetzung die man hat und dem, was man erreichen kann. Man setzt sich zum Ziel, nicht zu streiten, aber man beendet die Beziehung nicht, weil es zu einem Streit kommt. Man setzt sich zum Ziel, immer stark zu sein, aber man beendet die Beziehung nicht, wenn man einmal schwach ist. Usw. usf. Natürlich hat die körperliche Treue innerhalb einer Beziehung ein größeres Gewicht als ein Streit oder andere Dinge. Aber ich wehre mich dagegen, sie als etwas absolutes einzustufen, weil ich finde, dass es viel viel wichtigere Dinge gibt. Und die Tendenz, von der körperlichen Treue alles abhängig zu machen ist oberflächlich, finde ich.
Die Liebe zum Beispiel, die muss vorhanden sein. Ich denke, die wenigsten Menschen würden bei jemandem bleiben, der ihnen garantieren kann, treu zu sein, der sie aber nicht liebt. Umgekehrt finde ich, dass jede und jeder bei jemanden bleiben sollte, bei dem die gegenseitige Liebe noch da ist, sich jedoch ein Fall von Untreue ereignet hat. Nun, zumeist wird es ja auch so gehandhabt. Aber diejenigen, die meinen, sie müssten eine Beziehung beenden, weil der andere untreu war, die liegen meiner Meinung nach grottenfalsch. Des weiteren gibt es natürlich auch die geistige Treue, das "den Rücken stärken", die Rückhaltlosigkeit, mit der man zur Beziehung steht, das "da sein", die Loyalität. Ich denke, alle diese Dinge sind wichtiger als die körperliche Treue. Und werden von mir deshalb auch höher bewertet.
Wenn mir eine Partnerin garantieren kann, dass ein Seitensprung diese Dinge nicht angekratzt hat oder in Zweifel zieht, dann bin ich zwar sauer, weil ich finde, dass ein Seitensprung den "Wert" der Beziehung mindert, aber ich finde nicht, dass er ihn zerstört. Wohlgemerkt: Ich bin sauer! Und ich würde auch eine Häufung nicht zulassen wollen, weil ich dann den Glauben daran verlieren würde, dass die anderen Werte erhalten bleiben. Wenn man den Wert einer Beziehung immer wieder mindert, kommt man auch irgendwann zu Null. Aber ich würde mir nicht sofort Gedanken machen darum, ob die Beziehung Bestand haben kann.
Deshalb habe ich mit einer Einigung, die ich mit meinen ernsthaften Beziehungs-Partnerinnen getroffen habe, bisher den besten gangbaren Weg gefunden. Für mich, wohlgemerkt, dies ist kein Patentrezept. Aber wir haben es so gehandhabt: Wir setzen voraus, dass wir einander vertrauen können und dass wir offen und ehrlich sind, wenn es der Beziehung gut tut. Also setzen wir voraus, dass der andere weiß, was er tut, wenn er abends oder im Urlaub unterwegs ist ... Kommt es dann zu einem Seitensprung, dann muss derjenige sich prüfen, ob das etwas mit der Beziehung zu tun hat -- oder ob es sich mehr oder minder um die Befriedigung des Sexualtriebs handelte und sich ein Wiederholungsfall mit derselben Person ausschließt. Wenn es mehr nicht ist, dann wird vereinbart, dass der Seitensprung verschwiegen wird. Vermeidbare Verletzungen vermeiden. Ist jedoch die Beziehung angekratzt und der Seitensprung nur ein Ausdruck dafür, dass etwas anderes nicht stimmt, dann muss er gebeichtet werden und das Problem muss gelöst werden. So finde ich es eine gute und vernünftige Regel zwischen erwachsenen Menschen, die sich gegenseitig vertrauen und sich gegenseitig zutrauen, die Situation auch beurteilen zu können.
Wohlgemerkt, ich betone es: Das Ziel ist und bleibt die Treue. Es handelt sich nicht um einen Freibrief, tun und lassen zu können, was man will. Sondern es handelt sich um eine Regelung, die beiden dieselbe Verantwortung für die Beziehung gibt.
Und bei mir hat es auch funktioniert. Meine Eifersucht hat sich wesentlich reduziert, weil ich vertraut habe. Vertraut darauf, dass wir ausgesprochen haben, was uns wichtig ist. Und zweimal hatte ich das Gefühl, da gab es einen anderen Mann im Leben meiner Freundinnen (einmal Urlaub, einmal nachts nicht nach Hause gekommen, zwei verschiedenen Frauen mit fast zehn Jahren Abstand). Aber ich habe nicht weiter nachgefragt und darauf geachtet (und es ein bisschen eingefordert), was sie sagt zu unserer Beziehung, wie sie sich stellt, ob sie grundsätzlichen Gesprächen ausweicht. Und als ich erkennen konnte, dass sie voll zu mir steht, dass es keinen Zweifel gibt, habe ich sie auch vollkommen in Ruhe gelassen. Und ich finde es nach wie vor richtig so. (Man muss sich mal überlegen, was sich beide in dieser Situation erparen. Die Diskussionen braucht doch kein Mensch!)
Ich selbst war einmal untreu und habe es gebeichtet. Es wurde eine Katastrophe, obwohl es nichts zu bedeuten hatte. Seitdem bin ich treu gewesen, auch, wenn es diese Regelung gab. Ich habe schließlich Verantwortung dafür, was ich tue, right? So kann ich mich in Ruhe gegen ein Abenteuer entscheiden, weil es keinen zusätzlichen Kick dadurch gibt, dass es strengstens verboten ist. Ich muss mich aber auch nicht vor den nächsten Zug werfen, wenn ich nicht widerstehen wollte, weil es meine Beziehung nicht gefährdet, wenn sonst alles in Ordnung ist.
Vielleicht ist das eine Anregung für alle, darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist in Beziehungen. Man muss nicht auf dem Standpunkt stehen, dass Sex eine Genussache ist wie Essen und es deshalb vollkommen egal ist. Aber man sollte nicht alles wissen im Leben, man sollte vermeidbare Verletzungen vermeiden.
little boy
P.S.: Am heftigsten betrogen wurde ich von der Frau, die sich auf diese Regelung nicht einlassen wollte und gesagt hat: Wenn ich dich einmal dabei erwischen sollte, wird es kein Pardon geben, dann ist sofort alles aus! Tja, Treue? Eine Illusion.