Du lachst, wenn ich dich frage, ob du keinen "Hafturlaub" bekommst und ich weiß nicht, ob du aus Höflichkeit lachst, oder weil du nicht streiten willst, oder warum?
Ich mische mich da nicht mehr ein.
Das ist deine Sache.
Aber das kann ich mir nicht verkneifen.
Muss ich auch nicht, finde ich.
Wenn man mal alles in allem nimmt, inklusive der Zeiten, in denen ich immer mal wieder weg war, aber innerlich nie distanziert genug, habe ich 23 Jahre selbst darunter gelitten.
Ich finde, ich darf solche Sprüche klopfen.
Mal abgesehen davon, dass ich nicht wüsste, wie ich es sonst machen sollte, als Witze darüber zu machen.
Anders könnte ich überhaupt gar nicht damit umgehen.
Du fragst mich, ob ich mit dir auf dieses Rock-Konzert gehe und setzzt vorsichtig dahinter, falls mir das nicht zu peinlich wäre mit dir.
Und da habe ich das begriffen: Du hast gar nichts kapiert.
Ich kann mich noch gut erinnern, an den Tag, als dein Vater ins Krankenhaus eingeliefert wurde, aus dem er nie wieder entlassen wurde...
Da habe ich am nächsten Tag eine versetzungsrelevante Klausur geschrieben.
Und bin mit dir hingefahren.
Weil SIE Dinge sagte wie: "Es ist so spät." und "Wir haben uns eh nie gut verstanden."
Und "Er ist ja jetzt auch alt genug...".
Mit Wut im Bauch und einem Kopfschütteln habe ich mich angezogen und bin mitgefahren.
Und konnte nicht im Zimmer bleiben, weil ich so weinen musste. Und habe dich bewundert, dass du das ertragen hast, das Betteln, dass du ihm doch helfen sollst. Dass man ihn doch jetzt sterben lassen sollte.
Oder das andere Mal, als du dich auf dieses Konzert so gefreut hattest und sie plötzlich keine Lust mehr hatte an dem Abend.
Und dich ernsthaft gebeten hat, allein hinzugehen. Und nicht mal eine Ausrede benutzt hat, sondern nur: "Ich hab jetzt darauf gar keine Lust."
Und weil du so enttäuscht warst, weil deine Augen so traurig aussahen, habe ich spontan den ganzen Abend umgeschmissen und war mit dir dort.
Vielleicht hast du das aus Spaß gemeint, aber mich trifft's.
Ich habe so lange gedacht, niemand sieht das.
Aber das stimmt nicht.
Sie erzählt mir jedes Mal, was bei euch los ist.
Und sagt jedes mal: "Er tut mir soooo leid."
Nicht so leid wie mir, scheinbar. Denn ich bin die, die das wütend macht und die den Mund nicht halten kann.
Ich bin die, die weggehen musste, weil ICH das nicht mehr ertragen habe. Und weil ich es FÜR DICH nicht mehr ertragen habe.
Du bist etwas, wie meine Wellensittiche.
Da könnte ich den ganzen Tag den Käfig auflassen und sie würden nicht raus fliegen.
Warum nicht?
Ich freue mich auf das Konzert. Ich find's cool.
Und vielleicht meinst du, ich würd's aus Mitleid tun.
Das stimmt so gar nicht.
Ich hatte dich schon mal gefragt, vielleicht weißt du das nicht mehr.
Da hatte meine Arbeitskollegin damals mir von dieser Bar erzählt.
Und du DURFTEST nicht mit. Ohne Begründung.
Und du bist nicht mit. Ohne Begründung.
Ich finde nichts peinlich an dir. Im Gegenteil.
Jeder, der dich kennt, mag dich. Du bist so witzig und frech, spontan.
Du freust dich über gute Witze und kannst gut einstecken und lachst, wenn sie auf deine Kosten gehen.
Du bist freundlich und nett und gutmütig.
Und vielleicht habe ich deshalb eine Art schlechtes Gewissen.
Vielleicht ist es einfach zu viel verlangt, dass du zu dem, was das alles mit UNS gemacht hat, etwas sagst.
Aber dann denke ich wieder, dass es doch nicht um das Resultat geht.
Es geht dabei nicht um mich.
Ich habe das gern gemacht und bin gerne eingesprungen, es war immer witzig.
Ich konnte auch so damit klar kommen und das ist alles ok, wie es ist.
Es wird schon ok sein, mit meinem Beruf und dass ich mich auch allein nächtelang hinsetzen konnte und die blöde Finanzierung hin und her gerechnet habe, damit ich wusste, was da auf mich zukommt. Dass ich mit 24 plötzlich keine Miete mehr gezahlt habe, sondern Eigentum.
Es lief (auf Umwegen) ja auch ohne euch.
Ich habe sogar überlegt, doch noch zu studieren und mein Chef würde das begrüßen.
Aber ich weine noch oft. Mal wegen dir, mal wegen etwas anderem.
Immer, wenn ich nichts zu tun habe, fange ich an, an mir zu zweifeln. An dem, was ich denke. Tue. Sage.
An dem, was ich sollen könnte oder was ich fragen darf oder was ich verlangen kann.
Und Nähe überfordert mich manchmal.
Wenn man mir sagt, dass man mich mag, denke ich: "Warum sagst du das? Was willst du?"
Vertrauen braucht ewig und da bin ich so stur. Wer damit nicht umgehen kann, soll halt gehen.
Ich weiß nicht, ob das ok ist. Ich kann es schlicht nicht beurteilen.
Und ich sollte besser fragen, was ICH daran ändern kann, aber manchmal frage ich mich, ob das auch so wäre, wenn du irgendwann mal etwas zu all dem gesagt hättest.
Und ohne, dass ich noch wirklich böse werde, werfe ich dir das heimlich vor.
Weißt du, ich komme langsam voran und nehme Ratschläge nie an. Ich lasse mir gar nichts sagen und glaube es erst, wenn ich es selbst gesehen, gehört, gefühlt habe.
Ich komme also sehr langsam voran.
Aber ich komme voran. Glaube ich zumindest. Ich bilde mir ein, es zu wissen.
Und du?
Du sitzt da in deinem Käfig bei offener Tür und stellst keine anderen Fragen, als die, ob es mir peinlich wäre, mit dir auf ein Rockkonzert zu gehen.
Und dann heule ich wieder.
Weil mich das richtig trifft.
EDIT (automatische Beitragszusammenführung)
Und weißt du, warum ich jetzt nicht aufhören kann zu weinen?
Ich frag mich immer, was ich denn gemacht habe.
Was denn so furchtbar falsch an mir war, dass sie mich immer behandelt hat, als würde sie mich hassen.
Warum?
Sie hat mir einige Dinge mal vorgeworfen und ich hatte dafür keine Erklärung außer: "Äh.... da war ich sechs.....?!!"
Ich würd's nur einfach gerne wissen.
Dumm, oder?
Obwohl ich 1000 Beispiele dafür habe, dass man mir die Schuld dafür gar nicht reindrücken kann.
Obwohl ich irgendwann dachte, was ich wohl auf die Meinung von jemandem sollte, von dem ich SO denke....
Obwohl ich das eigentlich besser weiß, sehne ich mich nach einer Erklärung, die es nicht gibt.
Und denke selbst dabei noch, dass es dann MEINE eigene Schuld ist.
Weil ich ja weiß, ich bekomme keine.
Weil ich weiß, ich werde dir das alles niemals sagen können.
Und freue mich trotzdem, dass du MICH gefragt hast, ob ich mit komme.
Aber vielleicht hast du das auch nur, weil du weißt, dass ich niemals "nein" sagen würde.
Siehst du.
Und da sitze ich mit meinen Zweifeln da.
Bis ich mir irgendwann nur noch Ruhe wünsche.
Und dann erst fange ich wieder an, an mich selbst zu glauben.
Komisch, oder?
Komisches Leben..