@ dt:
ja, genau der spruch "unordnung ist ein zeichen des genies" stand bei meinem vater auf dem schreibtisch. und mit genau diesem motto habe ich lange zeit, nachdem ich von zu hause ausgezogen war und endlich das leidige "räum-doch-bitte-wieder-mal-dein-zimmer-auf" meiner mom losgeworden war, mein dasein bestritten. ich hab mich auch immer wohl gefühlt in wohnungen, die zugestopft mit kruscht waren und in der zettel lose rumlagen etc. pp.
ich selbst hab immer nur kaufverträge (fahrrad, o.k mietvertrag, anmeldung...) in EINEM ordner aufbewahrt. der rest war "let it be".
wenn besuch kam oder ich mal in meinem lieben studentenleben ne party gemacht habe, dann kam der rumfliegende kram in einen schrank gestopft. es machte mich irgendwie stolz, dass dieser immer kaum noch zu ging und zwangsläufig beim nächsten öffnen der schnodder wieder rausquoll. es war und blieb ein zeichen von selbständigkeit und abgrenzung von meinem kinderstatus, dass ich das so hielt.
im zarten alter von 34 jedoch haben sich die ordner mit verträgen über mein eigentum, die ordner mit gebrauchsanweisungen mit garantien, die ordner mit unterlagen zu jobs und steuern, die ordner mit weiß der henker was von einem einzigen hoch zu vielen multipliziert.
ja
macht nüscht. wirklich nicht?
früher hab ich, wenn ich gesucht habe, ähnlich wie heute alles mal schön sortiert. ich sag mal: im schnitt einmal im jahr brach wegen irgendetwas panik aus, dann wühlte ich mich durch mein habe und danach war so viel ordnung, das hielt wieder für circa ein jahr.
für mich war es "normal", dass irgendwann mal panik ausbrach. das kannte ich von meiner impulsiven mutter, die ebenfalls solche dinge zum anlass nahm, gott und die welt zu verfluchen und fürchterlich zu wüten und durch die "elemente" unseres haushalts zu toben.
irgendwann mit ende 20 hab ich diese "panik-zeiten" aber NICHT mehr so einfach belächeln können.
hm
*brainstorming*
das war die zeit, wo ich psychisch WIRKLICH probleme bekommen hatte. und das war zugleich die zeit, wo ich nicht mehr eiteitei ne kleine studentin länger sein konnte, sondern wo der "ernst des lebens" in mein leben kroch.
das war auch die zeit, wo ich aufhörte, die allerallerwichtigsten unterlagen im original oder in kopie zumindest AUCH bei meinen eltern zu hinterlegen. plötzlich hatte ich so fette klamotten wie fahrzeugbriefe, ja, ich hatte auch selbst einige größere anschaffungen (motorrad z.b.) getätigt, es kam einfach auch nicht mehr ALLES von mommi und daddi. die krankenversicherung bei meinem eltern endete. es gab auch unterlagen, die mich belasteten, aber die dennoch "wichtig" waren: arbeitslosenhilfe-bescheide, beschi**ene arbeitslosenausweis.
dann die vielen schwer einsortierbaren bewerbungsunterlagen: nimmt mich der betrieb (dann wichtig) oder ist es nichts (dann aber erstmal noch aufbewahren in case of emergency und ausserdem: check check, wo hab ich mich schon beworben, wo nicht?)?
die dinge verloren den glanz des besonderen, des abgrenzens von der bevormundung. sie waren mein leben und mein leben gefiel mir überhaupt nicht damals. ich hatte nicht nur diese depressive stimmung, ich war auch einfach angstbesetzt, enttäuscht und - als wäre es noch nicht genug - ich zog unglückskandidaten und durchgeknallte noch und nöcher an. gut, mit anderen menschen langweilte ich mich ja auch nur! ich brauchte schon menschen, die noch MEHR UNGLÜCK erlebten und - mit meiner hilfe dann übrigens - auch bewältigten.
ernsthaft...
so findet sich immer noch ein schuldschein meines kiff-exes bei meinen unterlagen. er schuldet mir immer noch 1.000 dm von ursprünglich 3.000... und ich hab ihm noch letztes jahr geholfen mit meiner privathaftpflichtversicherung, in der er noch eingetragen war.
jaja
mein leben ist voll mit vielen dingen, in die ich mich hineingewagt habe. aus vielen dingen bin ich wieder rausgekommen, aber die unterlagen sind noch da. ungeliebt und beängstigend - teilweise - bis heute.
glaub mir, dt... das ist schon schön, wenn man dann mal den gedanken annehmen kann, im falle von chaos beherrscht man nicht die unterlagen, sondern die unterlagen beherrschen einen selbst.
:]
fang da mal an, ohne in alte denkmuster (ängste, beklemmungen, trauer über vergangene zeiten...) zurückzusinken!
das kann auch übel nach hinten los gehen und ich bin WIRKLICH froh, dass es das nicht tut. aber ein stück weit hab ich noch respekt vor diesem chaos. ich möchte aber nicht, dass ich aufgebe mit dem chaos. ich mach mir zwar nicht die hölle heiß, aber so stück für stück möchte ich es immer mal durchgehen.
"simplify your life" schlägt das hängeregistratur-system vor. und als obersten merksatz: einmal im monat unbedingt die kruscht-hängeordner und möglichst alles mal im sinne einer wiedervorlage anschauen. dann vergisst man nichts mehr, was man "eigentlich" mal im kopf gehabt hatte. und mistet IMMER aus.
ich denk schon, dass mir das lieber ist. gerade auf job kann ich mir keine vergessenen akten erlauben, aber irgendwie mach ich den kopf zu, wenn es um mein geld geht. auf diese art habe ich noch kaum akten in mein archiv (bei meiner mom im keller
) bringen können: es ist IMMER noch irgendwas offen geblieben. oder ich hab noch ein schreiben verfasst und versäumt, mir die sache als "weglegen"-sache zu notieren.
oder ich hab's alles im griff gehabt, aber trotzdem einfach keine kraft und keine lust gehabt, das teil noch auszuheften und wegzubringen.
irgendwie hatte ich eben in meiner selbständigkeit die ersten jahre auch UNGLAUBLICHE ängste, das nennt sich existenzängste. legte ich eine akte an, wußte ich nicht, ob ich den clienten und den sachverhalt beherrschen würde. sollte ich eine akte weglegen (weil: alles geschafft...
), dann fürchtete ich mich davor, dass ich nicht wieder so eine gute akte "kriegen" würde.
das gefühl, IMMER UND DAUERND lernen zu müssen, immer und ewig nie völlig vorbereitet zu sein, hat mich auch dieses jahr aus den latschen kippen lassen.
sowohl privat als auch beruflich (wobei beruflich so stillschweigend schon latent die ganzen jahre so war, nur hab ich es DA immer unterdrückt, das aus-den-latschen-kippen).
ich hab ne ganze weile "gerudert" und mit den flügeln geschlagen, um mich irgendwie neu einzustimmen auf dieses leben. zum beispiel wollte ich nie mehr OHNE motivation zur arbeit gehen. nie mehr gezwungenermaßen, eingesperrterweise am schreibtisch sitzen. nicht mehr mit bauchweh den hörer abnehmen. usw. usf.
das hab ich mir geleistet und dachte so leise: ob das mann gut geht?
aber ne alternative hatte ich nicht mehr in diesem jahr. ich war einfach fertig.
und dieses wühlen in der unordnung ist dementsprechend eine art heilungsprozess. mit rückfallgefahr...
aber bisher geht es ganz gut bergauf mit dem "patienten".
cu
sine