guten morgen liebe leute
gestern war zwar nicht die nacht des "orakels" für mich, aber ein toller abend mit paul auster...
tatsächlich konnte ich die karte vor der tür verkaufen, und wie es der ZUFALL (ein austersches thema: der zufall) so will, an einen ex-schweizer, aber aus bern (und nicht aus basel, :schmatz: @ xoff).
einerseits war der freundliche herr etwas beleidigt, dass ich ihn sofort als schweitzer eingeordnet hatte, da er ja schon sehr lange nicht mehr dort wohne, andererseits ließ er einen kleinen funken des etwas hartnäckigen und manchmal geradezu leicht penetranten schweizer' understatement, was die eigene identität angeht, aufglimmen und meinte, es sei die muttersprache, und die spreche man doch immer am besten...
SO ein statement, wenn es nur um dialekt geht, jaja, ich find sie immer wieder verrückt, solche kleinigkeiten.
tatsächlich waren er wie ich doch überfordert, obwohl wir beide bekräftigt hatten vor beginn der lesung, am liebsten keinen übersetzer zu wollen, als herr auster dann las. hoffnungslos, zumindest ziemlich hoffnungslos... er war sehr gut zu verstehen, wenn er frei sprach. aber der vorgelesene text war etwas anderes...
und so weiter und so fort.
zum glück brauchte ich doch kein opernglas, um mich an dem anblick von herrn auster ergötzen zu können. ein sehr schöner mann, erstaunlicherweise mit ohren, die mir irgendwie groß wie untertassen vorkamen...
was mich befreite, aber zugleich auch bedrückte, war die von meinem ex geäußerte vermutung gewesen, dass er irgenwie jüdischer abstammung sei und "auch so aussehe ein bisschen", wie mein ex es formuliert hatte.
?( ?( ?(
herrje
gibt es immer noch diese vorurteile? wie sehen juden denn aus? - bitte sagt es mir nicht, falls es kriterien "tatsächlich" geben sollte... ich weiß beim besten willen nicht, warum ich mir solche kriterien merken sollte.
mein ex ist ja nun gar nicht der typ für vorurteile... oder, ach wer weiß. es gibt auch pseudo-liberale...
ähm
mein ex war aber - wie gesagt - nicht dabei. wie gesagt, allein herr auster brachte mich durch diesen abend... anschließend eierte ich wild umher im theater und endlich fiel mir das wort ein, um das meine suche sich drehte: "signier-stunde". zum glück fragte ich noch, denn irgendwie war ich nach dem gesuche nach einem in gebeugter körperhaltung signaturen verteilenden gutaussehenden grauhaarigen schriftsteller schon zu der ansicht gelangt, herr auster hat keinen bock auf solchen "kinderkram", fast wäre ich gegangen.
o.k.
und als ich dann herrn auster nicht nur beim warten noch eine weile hatte beschauen und beobachten dürfen, schenkte er mir - auch - einen freundlichen blick, und ich war überrascht, dass er mich auch so berührte (bzw., dass ich überhaupt SO erfreut über seinen blick war), wie die eine oder andere dame vor mir... kaum ein junges mädchen, dass nicht mit seeligem lächeln vom tisch des schriftstellers weghechtete, als hätte er den jungen frauen ein kleines lichtlein auf die stirn zaubern können.
ich kann nicht aufhören, ich erzähl euch auch noch eine andere bewegende sache von dem abend...
ein freundlicher literatur-kritiker saß mit auf der bühne bei der lesung. er sagte über paul auster, dass auster auf die frage, "warum" er schreiben würde, die geschichte erzählen würde, bei der durch zufälle und umwege der ehemalige (in deutsche kriegsgefangenschaft geratene) belgische soldat, der sich mit einer deutschen krankenschwester briefe schrieb und diese dann auch ehelichte, den ehemaligen deutschen soldaten und seinen ehemaligen bewacher in kriegszeiten als schwiegervater bekam... und dass die beiden sich vertragen hätten, weil der schwiegervater sich als wächter korrekt verhalten hatte dem belgier gegenüber...
diese geschichte über völkerverständigung und respekt, dazu die mirakulösen worte meines exes über das jüdische aussehen, hat mich solche scham und zugleich furcht um herrn auster empfinden lassen, dass dieser sich in unser mit einer ach so perversen vergangenheit belastetes land traut, der - vermutlich jüdisch aussehende - segelohren hat... irgendwie war ich zugleich der ansicht, dass herr auster einfach mutig ist und dass er mir ein vorbild sein soll.
alles unter der prämisse natürlich, dass er "irgendwie jüdischer abstammung" sei...
ansonsten: wurscht. er ist mir auch sonst vorbild. seine menschlichkeit, diese mischung aus ernsthaftigkeit und charme, oh mann, ja, so müssten alle sein...
sogar jan josef liefers, der auch auf der bühne war (und eine passage aus dem buch in deutsch vorlas, danke, herr liefers), konnte kaum mithalten mit der ausstrahlung und dem charme von auster... neben herrn auster sieht vermutlich jeder andere mann wie ein oberflächlicher, steifer, kindlicher spießer aus. herr liefers hat - wer ihn kennt (schauspieler) - aber durchaus einen starken, witzigen und sehr auffallenden charakter, durchaus aus etwas charme, aber neben herrn auster, tja...
ach und einen tipp gab's noch zum schreiben:
gefragt, was an seinen büchern autobiografisch sei, insbesondere an dem neuen buch "nacht des orakels", teilte herr auster mit, dass letztlich alle bücher bilder seiner seelenlandschaft seien. natürlich schon schlicht aus dem grunde heraus, weil sie phantasieprodukte seien und nichts anderem als seinen gedanken entspringen. außer in einigen nicht fiktionalen geschichten ("das rote notizbuch") würde er die geschichten schreiben, indem er sich in den / die charakter(e) hineinversetzt wie ein schauspieler in einem stück sich in seine rolle hineinversetzt (AHA!!! :] ).
und für mich eine schöne anregung für meine eigenen schreib-versuche war:
in der "nacht des orakels" sei der protagonist in seinem alter wie auster selbst, stamme aber aus einer anderen zeit, weil das buch in den 80ern spielt. gegenpart des protagonisten ist jemand, der 20 jahre jünger ist als der protagonist altersmäßig, also so alt, wie auster es in den 80er war. auster gab (noch zu der frage nach autobiografischen elementen) zu, dass er ein und dieselbe sache - auch mit seinem inneren - beleuchtete, einmal aus der sicht des jüngeren, einmal aus der sicht des älteren...
sehr schön!
ich wollte in meinen büchern auch zum thema machen, dass ein und dieselbe sache aus den blickwinkeln der einzelnen protagonisten nunmal immer anders aussieht...
so
und nun seid ihr von meinem erlebnisbericht befreit...
na gut, eins noch:
ich war anschließend tanzen. ich hatte fürchterliche halsschmerzen, hab sie heute noch. in dem club war ich sehr abgehoben von dem rest, der um mich passierte. einerseits dachte ich daran, dass ich hier meinen ex kennengelernt hatte und verglich natürlich die situation jetzt mit der vergangenheit... gleichzeitig waren mir alle männer so unglaublich uninteressant... einfach schon, weil sie halt 10, 15 jahre jünger sind als ich, aber was soll's. sie waren auch unattraktiv, weil ICH wirklich geistig in einer sehr geschlossenen seelischen verfassung bin. ich würde vielleicht schon neue bekanntschaften akzeptieren, aber sexuell bin ich zu nichts in der lage und zu nichts bereit.
eine befriedigende feststellung, zugleich auch eine beruhigende, sichere einstellung, die ich habe.
ach... und ich habe mir vorgestellt, dass dieser abend von forums-mitgliedern gefüllt sein KÖNNTE... ich überlegte, ob ich venice wiedererkennen würde... lost... xoff... zitro...
)
aber ich hab euch nicht gesehen...
gruß
sine