Hallo,
es sind nun ein paar Tage in's Land gegangen und ich habe viel Zeit mit nachdenken verbracht. Ich merke aber auch, dass sich schon nach so kurzer Zeit etwas in mir verändert hat. Ich weiss nicht genau, was es ist, aber es ist auf jeden Fall kein ungutes Gefühl. Komisch zwar, aber auf jeden Fall nicht schlecht. Ist es die Neugierde auf das Unbekannte? Ich habe mich auf jeden Fall entschlossen, eine Art Tagebuch zu führen. Auf der einen Seite möchte ich meine Gedanken und Empfindungen aufschreiben, auf der anderen Seite erhoffe ich mir dadurch, zusammen mit euch hier im Forum, besser damit klar zu kommen.
Liebes Tagebuch,
tja, was soll ich sagen. Heute ist der vierte Tag, an dem ich sie nicht gesehen und auch nichts von ihr gehört habe. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, so allein zu sein. Auf der einen Seite ist es sehr interessant, machen zu können, was ich gerne möchte. Wenn ich auch derzeit irgendwie überhaupt keine Lust habe, etwas zu unternehmen. Ich bin einfach noch nicht dazu richtig bereit. Aber, das wird schon noch kommen, da bin ich mir sicher. Auch möchte ich nicht krampfhaft versuchen, jetzt irgend etwas ganz abgefahrenes zu machen, nur um mir selber etwas zu beweisen. Das wäre dann nicht ich. Erst einmal muss ich lernen, auf eigenen Füssen zu stehen und mein Leben zu leben.
Natürlich denke ich oft an sie. Was sie wohl gerade macht, ob sie an mich denkt. Logisch wird sie an mich denken, aber in was für einer Art und Weise. Ob sie mich wohl schon vermisst? Na ja, sicherlich wird sie mich vermissen, es ist ja auch für sie ungewohnt. Aber irgendwie ist es schon ein komisches Gefühl, nichts von ihr zu hören und zu sehen - ich vermisse sie halt ganz schrecklich. Aber ich weiß auch, dass sie jetzt erst einmal nicht mehr da ist und das muss ich akzeptieren.
Ich habe ihr auch den Brief da gelassen. Ob sie ihn gelesen hat, weiß ich nicht, aber ich hoffe es. Ich habe all meine Gefühle der letzten Wochen und die Wünsche, die ich an sie und an mich habe, zu Papier gebracht. Zu Anfang hatte ich Angst, dass sie auf diesen Brief antwortet und diese Angst ist auch noch irgendwie in mir drin. Aber bis jetzt hat sie sich zurück gehalten und ich komme damit gut klar.
Wie ich heute von meiner Mutter erfahren habe, hat meine Ex am Sonntag bei ihr angerufen. Das es ihr alles so leid tun würde und das meine Mutter nicht böse auf sie sein soll. Meine Mutter ist auch mit den Nerven total am Ende. Sie sagte ihr auch, dass sie ihr nicht böse sei und das wir beide noch jung genug wären für einen kompletten Neuanfang - in was für einer Beziehung auch immer. Aber, dass sie sie jetzt schon angerufen hat, finde ich auch etwas gemein. Ich hatte sie doch gebeten, auch ihr etwas Zeit zu geben. Aber ist denn ein Tag nach meinem Auszug schon "etwas Zeit"? Ich finde nicht. Scheinbar hat das schlechte Gewissen so an ihr genagt, dass sie das einfach loswerden musste. Aber ok finde ich es nicht. Sie hat es doch so gewollt und nun muss auch sie mit den Konsequenzen leben.
Ich möchte aber auch meine Mutter mal loben. Die Mutter von ihr wollte wirklich als Vermittlerin auftreten. Sie wollte, dass wir vier uns noch einmal zusammen setzen und das alles besprechen, ob es wirklich keine andere Lösung gibt. Das wäre natürlich der Hammer gewesen. Meine Ex auf der Anklagebank und zwei Richter sowie ein Opfer, die auf sie einreden. Nee, ich bin froh, dass meine Mutter das abgeblockt hat. Aber daran merkt man doch, dass eigentlich keiner so richtig versteht, was derzeit in ihr vorgeht. Sie weiß es womöglich auch selbst noch nicht so genau.
Im grossen und ganzen fühle ich mich eigentlich ganz gut. Ich habe zwar immer noch komische Gefühle im Bauch und im Herz, aber irgendwie sind es andere Gefühle, wie in den letzten Wochen. Ich habe auch eine Entscheidung getroffen, nicht zu dieser Tanzveranstaltung zu gehen. Das könnte einiges kaputt machen. Das einzige, was ich jetzt will, ist mein eigenes Leben zu leben, auch wenn ich mir das hin und wieder selber einreden muss, um den Glauben nicht zu verlieren. Aber diese Entwicklung will und muss ich machen, um auch selber zu merken, was ich an mir habe und so wieder offen für eine neue Beziehung werde. Ob das nun mit ihr sein wird, oder mit einer anderen Partnerin, ist mir derzeit eigentlich ziemlich egal, auf jeden Fall möchte ich nicht lange allein sein. Aber wer weiss, was in zwei/drei Wochen oder in ein/zwei Monaten ist.
Insgeheim habe ich die Vermutung, dass es eine zweite Chance für mich nicht geben wird. Dafür scheint der Stolz bei ihr zu groß zu sein. Aber ich kann es nicht ändern. Wenn es doch noch einmal zu einem Neuanfang kommen sollte, muss dieser von ihr aus gehen. Ich kann mich also im Prinzip ganz entspannt zurück lehnen und auf die Dinge warten, die da kommen. Aber trotzdem warte ich mit zittrigen Händen auf die erste Kontaktaufnahme von ihr. Denn ich werde versuchen, stark zu sein und nicht den ersten Schritt machen. Ich werde ihr zum Geburtstag eine Karte schreiben, aber die Einladung zu einem Kaffee werde ich mir verkneifen. Soll sie doch mich einladen - es ist ja schliesslich ihr Geburtstag. Ich weiss, dass das eine Trotzreaktion ist, aber irgendwie muss ich mich ja auch schützen. Denn es würde mir nur wieder zu sehr weh tun, wenn ich sie einlade und eine Absage bekomme. Sie muss bereit sein, mich wieder sehen zu wollen, auch wenn es nur aus Neugierde ist, wie es mir geht. Und ich muss dann stark genug sein, dieses Risiko auf mich zu nehmen, um auch evtl. dann eine endgültige Niederlage verkraften zu können. Ich hoffe nur, dass ich bis zu dem Zeitpunkt schon wieder diese Kraft haben werde.
Danke für's zuhören, liebes Tagebuch
Jörg