Okay, liebe sine,
ich poste mal, was ich heute ungefiltert rausgeschrieben hab (wahrscheinlich nicht die ideale Einschlaflektüre :schief: ):
Vormittags in der Therapie. Ich hab geredet wie ein Wasserfall. Blumig, wie der Doc fand. Von einer Geschichte zu nächsten. Verschachtelungen. Am Schluss hab ich den Verdacht geäußert, dass ich wohl nur so viel rede, weil ich normalerweise keine Möglichkeit habe, mich jemandem so anzuvertrauen. Und da macht mir Erzählen halt Spaß. Ich sollte wirklich meine Geschichten langsam mal alle aufschreiben. An Lebenserfahrung mangelt es mir nun wirklich nicht.
Regnerischer, warmer Frühlingstag. Die Bäume sind grün geworden. Ein Hauch von tropischem Urwaldklima liegt über der Stadt. Ich fühl mich auf angenehme Weise müde und überlasse mich meinen Gedanken. Ich brauche nichts zu tun. Nur daliegen und der Musik und den Regentropfen auf dem blechernen Fensterbrett zuhören. In Gedanken genieße ich diese schöne Woche. Die Begegnungen im „Ilses Erika“, das Gespräch mit der lieben Kollegin in der Mittagspause, die Stunde am Ententeich, die Gespräche mit den virtuellen, aber so sehr liebgewonnenen Freunden im Forum.
Abends rief meine Mutter an. Ich hab ihr erzählt, dass ich eine schöne Woche hatte, aber über Details habe ich nichts gesagt. Sie erzählte, dass meine Schwester zu Besuch war und welchen Weg sie gegangen sind, als gemeinsam durch die kleine Stadt spaziert sind. Doch kein Anhaltspunkt über Gespräche, nichts neues über sich oder meine Schwester – so als wären sie schweigend nebeneiander her gegangen.
Später hab ich überlegt, wieso ich diese Details ausgelassen hab. Vielleicht weil ich geglaubt hab, dass sie eben nicht angemessen darauf reagieren würde. Dass sie sagen würde „Ach, und sonst ist nichts weiter passiert?“ Diese Worte hatte sie vor ein paar Wochen schon einmal gesagt und ich war daraufhin ein ganzes Wochenende vollkommen aus der Bahn. Hab mich wie der letzte Müll gefühlt, weil ich das Gefühl hatte, meine Mutter würde mein ganzes Leben mit diesem Satz in Frage stellen. Und davor hab ich solche Angst. Ich hab riesige Angst vor den Sätzen meiner Eltern. Denn sie können verletzen, so wie sie es sich gar nicht vorstellen können. Deshalb hab ich so ein starkes Bedürfnis nach Distanz ihnen gegenüber. Ich meine, wenn ich mit einer Frau zusammen leben würde, die mich überhaupt nicht versteht, würde ich ja auch irgendwann auf Distanz gehen müssen – wieso also nicht auch gegenüber den Eltern. Wieso müssen sie alles über mich wissen, während ich so wenig über sie erfahre, weil sie mir nur über Wochenendausflüge und Familienfeiern berichten? Ich glaub, ich hab mich immer noch nicht abgenabelt von meinen Eltern und vielleicht geht das nur, indem ich zwar mit ihnen in Kontakt trete, aber gleichzeitig meinen Standpunkt felsenfest vertrete, stattt mich in vorauseilendem Gehorsam zu üben. Aber weil ich mich dazu zu schwach fühle, verdränge ich die Kommunikation mit ihnen. Also ist Distanz wohl doch der falsche Weg.
Nach dem Gespräch mit meiner Mutter verspürte ich eine so starke Unruhe, dass ich meine Schwester in Dresden angerufen hab. Meine Schwester, die Krankenschwester ist, vor vier Monaten einen Jungen zur Welt gebracht hat, einen starken und lieben Mann zur Seite hat und die sich als Erwachsene hat taufen lassen. Eine Frau, die Dinge macht, die ich manchmal nicht verstehe, die ich aber trotzdem für richtig halte, weil sie es ist, die diese Sachen macht.
Wir sprachen über unsere Eltern. Was sie für Ehen leben. Meine Eltern sind seit 21 Jahren getrennt, und haben beide wieder geheiratet. Wir sprachen darüber, dass unsere Eltern so erzogen sind, nie über ihre gefühle zu sprechen und es deshalb auch nicht schaffen, mit ihren Kindern über deren Gefühle zu reden. Das baut einerseits eine Distanz der Kinder auf, andereseits scheint das das Bedürfnis der Eltern zu fördern, sich in Dinge einzumischen, die sie nichts angehen. Meine Schwester kann ein Lied davon singen: Seit sie Mutter ist, muss sie sich gegen gut gemeinte Ratschläge wehren, was das Zeug hält.
Meine Schwester meinte, dass wir wohl beide ungewollte Kinder waren und davon, dass sie meine Mutter gefragt hätte, ob sie sich daran erinnern könnte, wie wir beide als Kinder waren. Sie konnte es nicht. Hatte sie soviel mit sich selbst zu tun, dass sie uns nicht wahrnahm? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, ich hab als Kind nie das gefühl gehabt, zu meiner Mutter gehen zu können, wenn ich nicht mehr weiter wusste. Über unseren Vater wissen wir beide offenbar noch weniger. Wir beide haben ihn lange vergöttert, doch mittlerweile hat sich eine gewisse Distanz herausgestellt. So scheint sich unser Vater zu anderen Menschen offenbar näher zu fühlen als zu uns. Er hat zum Beispiel einen französischen Freund, der Maler ist und zeitweise in Dresden wohnt. Und obwohl er, samt Stiefsohn, drei Söhne und eine Tochter hat, ist dieser Freund offenbar der wahre Sohn für ihn – ein Eindruck, den der Lebensgefährte meiner Schwester auch schon geäußert hat und der sich aus einer Äußerung meines Vaters noch erhärtet, die meine Schwester mir heute erzählte: und zwar hatte mein Vater gesagt, er würde diesen Freund, der als Künstler viele geldsorgen hat, auch finanziell fördern, wenn er es denn könnte. Dass ich, sein Sohn, in einer ähnlichen Situation stecke und nicht weniger Fähigkeiten als er habe, hat ihn scheinbar noch nie zu einem derartigen Gedanken verleitet. Dabei will ich gar nicht von meinem Vater finanziell gefördert werden, aber ich spüre hinter dieser Geschichte, dass er MEINE Arbeit überhaupt nicht ernst nimmt und mich gar nicht ideell unterstützen möchte. Dieser Verdacht tut zwar weh, aber wird dadurch abgefedert, dass ich, um ehrlich zu sein, das auch nie von einem Vater erwartet habe. Allerdings hab ich es zumindest erhofft und bin deshalb doch sehr enttäuscht und wütend.
Ich muss dazu sagen, dass ich diese quasi Eifersuchtsgefühle nie im Vergleich zu meinen zwei anderen Brüdern empfunden habe. Im Gegenteil. Ich hab das gefühl, sie haben das gleiche Problem mit ihm, dass er sie nicht genug ernst nimmt und getreu seines früheren Berufsethos des Offiziers in soldatischer Disziplin unterweisen will. Deshalb fühle ich mich trotz geringen Kontaktes sehr verbunden mit ihnen.
Ist das nicht Grund genug, vor seine Eltern abhauen zu wollen?
Liebe Grüße
Lostinmusic
ich poste mal, was ich heute ungefiltert rausgeschrieben hab (wahrscheinlich nicht die ideale Einschlaflektüre :schief: ):
Vormittags in der Therapie. Ich hab geredet wie ein Wasserfall. Blumig, wie der Doc fand. Von einer Geschichte zu nächsten. Verschachtelungen. Am Schluss hab ich den Verdacht geäußert, dass ich wohl nur so viel rede, weil ich normalerweise keine Möglichkeit habe, mich jemandem so anzuvertrauen. Und da macht mir Erzählen halt Spaß. Ich sollte wirklich meine Geschichten langsam mal alle aufschreiben. An Lebenserfahrung mangelt es mir nun wirklich nicht.
Regnerischer, warmer Frühlingstag. Die Bäume sind grün geworden. Ein Hauch von tropischem Urwaldklima liegt über der Stadt. Ich fühl mich auf angenehme Weise müde und überlasse mich meinen Gedanken. Ich brauche nichts zu tun. Nur daliegen und der Musik und den Regentropfen auf dem blechernen Fensterbrett zuhören. In Gedanken genieße ich diese schöne Woche. Die Begegnungen im „Ilses Erika“, das Gespräch mit der lieben Kollegin in der Mittagspause, die Stunde am Ententeich, die Gespräche mit den virtuellen, aber so sehr liebgewonnenen Freunden im Forum.
Abends rief meine Mutter an. Ich hab ihr erzählt, dass ich eine schöne Woche hatte, aber über Details habe ich nichts gesagt. Sie erzählte, dass meine Schwester zu Besuch war und welchen Weg sie gegangen sind, als gemeinsam durch die kleine Stadt spaziert sind. Doch kein Anhaltspunkt über Gespräche, nichts neues über sich oder meine Schwester – so als wären sie schweigend nebeneiander her gegangen.
Später hab ich überlegt, wieso ich diese Details ausgelassen hab. Vielleicht weil ich geglaubt hab, dass sie eben nicht angemessen darauf reagieren würde. Dass sie sagen würde „Ach, und sonst ist nichts weiter passiert?“ Diese Worte hatte sie vor ein paar Wochen schon einmal gesagt und ich war daraufhin ein ganzes Wochenende vollkommen aus der Bahn. Hab mich wie der letzte Müll gefühlt, weil ich das Gefühl hatte, meine Mutter würde mein ganzes Leben mit diesem Satz in Frage stellen. Und davor hab ich solche Angst. Ich hab riesige Angst vor den Sätzen meiner Eltern. Denn sie können verletzen, so wie sie es sich gar nicht vorstellen können. Deshalb hab ich so ein starkes Bedürfnis nach Distanz ihnen gegenüber. Ich meine, wenn ich mit einer Frau zusammen leben würde, die mich überhaupt nicht versteht, würde ich ja auch irgendwann auf Distanz gehen müssen – wieso also nicht auch gegenüber den Eltern. Wieso müssen sie alles über mich wissen, während ich so wenig über sie erfahre, weil sie mir nur über Wochenendausflüge und Familienfeiern berichten? Ich glaub, ich hab mich immer noch nicht abgenabelt von meinen Eltern und vielleicht geht das nur, indem ich zwar mit ihnen in Kontakt trete, aber gleichzeitig meinen Standpunkt felsenfest vertrete, stattt mich in vorauseilendem Gehorsam zu üben. Aber weil ich mich dazu zu schwach fühle, verdränge ich die Kommunikation mit ihnen. Also ist Distanz wohl doch der falsche Weg.
Nach dem Gespräch mit meiner Mutter verspürte ich eine so starke Unruhe, dass ich meine Schwester in Dresden angerufen hab. Meine Schwester, die Krankenschwester ist, vor vier Monaten einen Jungen zur Welt gebracht hat, einen starken und lieben Mann zur Seite hat und die sich als Erwachsene hat taufen lassen. Eine Frau, die Dinge macht, die ich manchmal nicht verstehe, die ich aber trotzdem für richtig halte, weil sie es ist, die diese Sachen macht.
Wir sprachen über unsere Eltern. Was sie für Ehen leben. Meine Eltern sind seit 21 Jahren getrennt, und haben beide wieder geheiratet. Wir sprachen darüber, dass unsere Eltern so erzogen sind, nie über ihre gefühle zu sprechen und es deshalb auch nicht schaffen, mit ihren Kindern über deren Gefühle zu reden. Das baut einerseits eine Distanz der Kinder auf, andereseits scheint das das Bedürfnis der Eltern zu fördern, sich in Dinge einzumischen, die sie nichts angehen. Meine Schwester kann ein Lied davon singen: Seit sie Mutter ist, muss sie sich gegen gut gemeinte Ratschläge wehren, was das Zeug hält.
Meine Schwester meinte, dass wir wohl beide ungewollte Kinder waren und davon, dass sie meine Mutter gefragt hätte, ob sie sich daran erinnern könnte, wie wir beide als Kinder waren. Sie konnte es nicht. Hatte sie soviel mit sich selbst zu tun, dass sie uns nicht wahrnahm? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, ich hab als Kind nie das gefühl gehabt, zu meiner Mutter gehen zu können, wenn ich nicht mehr weiter wusste. Über unseren Vater wissen wir beide offenbar noch weniger. Wir beide haben ihn lange vergöttert, doch mittlerweile hat sich eine gewisse Distanz herausgestellt. So scheint sich unser Vater zu anderen Menschen offenbar näher zu fühlen als zu uns. Er hat zum Beispiel einen französischen Freund, der Maler ist und zeitweise in Dresden wohnt. Und obwohl er, samt Stiefsohn, drei Söhne und eine Tochter hat, ist dieser Freund offenbar der wahre Sohn für ihn – ein Eindruck, den der Lebensgefährte meiner Schwester auch schon geäußert hat und der sich aus einer Äußerung meines Vaters noch erhärtet, die meine Schwester mir heute erzählte: und zwar hatte mein Vater gesagt, er würde diesen Freund, der als Künstler viele geldsorgen hat, auch finanziell fördern, wenn er es denn könnte. Dass ich, sein Sohn, in einer ähnlichen Situation stecke und nicht weniger Fähigkeiten als er habe, hat ihn scheinbar noch nie zu einem derartigen Gedanken verleitet. Dabei will ich gar nicht von meinem Vater finanziell gefördert werden, aber ich spüre hinter dieser Geschichte, dass er MEINE Arbeit überhaupt nicht ernst nimmt und mich gar nicht ideell unterstützen möchte. Dieser Verdacht tut zwar weh, aber wird dadurch abgefedert, dass ich, um ehrlich zu sein, das auch nie von einem Vater erwartet habe. Allerdings hab ich es zumindest erhofft und bin deshalb doch sehr enttäuscht und wütend.
Ich muss dazu sagen, dass ich diese quasi Eifersuchtsgefühle nie im Vergleich zu meinen zwei anderen Brüdern empfunden habe. Im Gegenteil. Ich hab das gefühl, sie haben das gleiche Problem mit ihm, dass er sie nicht genug ernst nimmt und getreu seines früheren Berufsethos des Offiziers in soldatischer Disziplin unterweisen will. Deshalb fühle ich mich trotz geringen Kontaktes sehr verbunden mit ihnen.
Ist das nicht Grund genug, vor seine Eltern abhauen zu wollen?
Liebe Grüße
Lostinmusic