Hallo Jan,
Konfliktscheu: ja - es scheint tatsächlich so, als ob wir beide konfliktscheu wären - ich auf jeden Fall zumindest, wenn es um Beziehungen geht (13 Jahre ... kein Streit - danach 9 Jahre - kein Streit; in den kurzen 0,5-2 Jahre "Beziehungen" ist es nicht so aufgefallen ... ). Im Job oder auch bei meinen Eltern und meinem Bruder ist/war es bei weitem nicht so. Zu viel Rücksichtnahme von mir (und anscheinend auch von ihr) vielleicht aus Angst, die Stimmung kaputzumachen, dem Anderen die Laune zu verderben, zickig zu erscheinen - ein Risiko einzugehen. Lieber über andere Leute zu sprechen als über uns selbst. Das ist ganz sicher passiert ... Und dann kam ihr Konfliktmanagementkurs.
Wie oft ich in den vergangenen 3 Wochen die 9 Jahre revue passieren lassen habe weiss ich nicht. Auch immer wieder explizit auf der Suche nach Dingen und Situationen wo ich unglücklich gewesen wäre - wo mir etwas nicht gepasst hat - wo sie mich genervt hätte. Ich habe nicht viel gefunden - eigentlich nichts, das es Wert gewesen wäre, sauer zu sein ... Kleinigkeiten, die ich sehr schnell akzeptiert habe - viel mehr Dinge fallen mir ein, die ich hätte anderst/aktiver angehen hätte müssen:
- irgendwann kam die Aussage: "es ist nicht mehr so lustig, wie am Anfang" - wir sollten mehr unternehmen. Haben wir auch getan - aber es ist dann wieder "eingeschlafen"
- Dinge wie das Ausmalen der Küchendecke - das hab' ich immer wieder verschoben
- Mehr mithelfen im Haushalt
- weniger kuscheln - mehr action im Bett (sie war am Anfang die treibende Kraft ... ihre Allergien/Asthma haben dann alles geändert - da kam wieder die Rücksicht ins Spiel)
- Sie hat gesagt, ich habe ihr meine Liebe nicht genug gezeigt ... das ist ein Vorwurf, der mir sehr weh tut und mich ständig beschäftigt: was hab' ich falsch gemacht? (jedes "ich liebe Dich" habe ich auch genau so gemeint - jede Berührung - kuscheln, festhalten, die kleinen Geschenke von meinen Dienstreisen - auch wenn ich mich immer wieder mal vergriffen habe)
- Sie hat gesagt, sie hat sich nicht mehr attraktiv gefühlt, sie hat zugenommen: für mich war sie immer attraktiv - die paar Kilo zu viel haben mich nicht gestört.
- ich habe ihre (für mich scheinbar) zu subtilen Zeichen dafür, dass ihr etwas nicht passt, nicht erkannt - oder habe nicht intensiv genug nachgeforscht ... hätte ich das gemacht, hätten wir vielleicht rechtzeitig gegensteuern können (z.B. auf der Kreuzfahrt, als sie mir einen Tag aus dem Weg ging: ich habe gefragt, was los sei - ein, zwei Mal: bekam ausweichende Antworten und habe es auf sich beruhen lassen - es war dann ja auch wieder OK)
- ich war mir ihrer Liebe einfach zu sicher; ich habe zu wenig daran gearbeitet - obwohl ich immer wieder nach Bestätigung ihrer Gefühle gesucht habe (jedes ich Liebe Dich / miss U / *bussi* hat mich beruhigt. Darum ist mir auch ihr abweisendes Verhalten vor 3 Wochen sofort massiv aufgefallen ... und dem BIN ich dann nachgegangen - auch, wenns 2 in der Früh war - wer weiss, was passiert wäre, wenn ich da nicht so forsch nachgefragt hätte - sie hat gemeint "hätte es Dir ohnehin bald gesagt." - WANN? - "Wahrscheinlich am Tag Deiner Abreise nach Basel" ...)
Du sagst, ich renne im Kreis - abwägen - nachdenken - abwägen - Mails schreiben - löschen - Liebesbrief schreiben - löschen ... Listen machen - nachdenken: Entscheidungsschwäche nennt man das wohl. Das hast Du ganz richtig erkannt. Und ich weiss auch, dass ich aus diesem Teufelskreis raus muss (darum helfen mir auch Eure Posts - egal ob agressiv, analytisch oder emotional; egal, ob die Tips realistisch sind oder nicht; auch, wenn ihr mich/uns nicht kennt). Ich denke schon wieder seit gestern abend intensiv darüber nach, ob & wie ich mich bei ihr melden soll - ob sie manchmal auch an mich denkt, ob sie möchte, dass ich mich melde, ... und bin wieder gelähmt. Ich sehe sie im messenger online - und trau' mich nicht, weil ich nicht weiss, nicht einschätzen kann, wie sie reagiert und ich Angst habe, die Situation zu verschlimmern (geht das überhaupt noch?).
Wut auf einen eventuellen anderen Mann? Ich weiss es nicht - habe noch keine Bestätigung von ihr. Weiss nicht, was genau läuft, ob was läuft, wie tief es geht, wer es sein könnte, ob er auch vergeben ist, ... So, wie ich mich einschätze - und wie ich mich aus der Vergangenheit kenne: Wut war da - auf mich selber, Wut, weil ich es nicht kommen gesehen habe, Wut, dass ich zum Zeitpunkt, als es passiert ist nicht da war, Fehler gemacht habe ... Zweifel an mir.
Wenn ich mich momentan - in dieser Sekunde - selbst charakterisiere fallen mir folgende Schlagworte ein:
- unsicher, nach Bestätigung suchend, will meinem Partner alles recht machen, stelle eigene Wünsche hintan, lasse keine negativen Stimmungen/Konflikte zu und gehe ihnen aus dem weg, flüchte vor Konfrontationen, konfliktscheu aus Angst den Partner zu verlieren/zu verschrecken/ihm gegenüber ein negatives Bild abzugeben, unselbständig, habe Verlustängste, entscheidungsschwach, das Sebstbewusstsein ist am Boden, antriebslos, unkonzentriert ... ja, und Sebstmitleid ist natürlich auch im Spiel - und natürlich der Gedanke an Flucht - will/kann mich diesen negativen Situationen nicht stellen. "Positive Thinking" fällt mir nicht leicht (auch nicht in einer psychischen Normalsituation).
Mich selbst positiv zu sehen fällt mir bedeutend schwerer (z.B. analytisch, strukturiert, ich gehe auf Andere ein/empathisch, will andere unterstützen, helfen). Auch, wenn meine Psychologin gesagt hat (per Mail):
wenn niemals gestritten wird, ist es fast unmöglich, die bedürfnisse, die grenzen, die verletzungen, die wünsche, etc. des anderen kennenzulernen. Es ist eine unmenschliche anforderung an sie selbst, davon auszugehen, sie hätten all dies erspüren, erraten oder erdenken müssen. Die momentane situation ist nicht aufgrund eines versagens ihrerseits entstanden, sondern viel eher durch ein zusammenspiel von ihnen beiden in ihrer ganz spezifischen beziehungsdynamik
Ich bin traurig. Ich weiss nicht, was sie denkt, fühlt, tut - möchte bei ihr sein, möchte ihr helfen - und brauch selbst am meisten Hilfe. Ich selbst wäre glaub ich nie in der Lage einen anderen Menschen so zu verletzen, ihm so weh zu tun (was mich in die Lage bei meiner 13-jährigen Beziehung gebracht hat).
liebe Grüße,
Andreas