Beinahe wurde ich, ohne das es noch einigermaßen kontrollierbar gewesen wäre, von einem Strudel mitgerissen,
der mich in tiefste Abgründe, wenn nicht sogar in den sicheren Tod getrieben hätte.
Menschen die irgendwann von diesem Hauch des Schicksal gestreift wurden und ihm entronnen sind wissen,
dass nichts übertrieben ist.
Keine der existentiellen Begegnungen, die ich im Laufe des Lebens erfahren habe, stellte den Begriff der „Normalität“,
so in Frage wie diese.
Wenn ich an die letzten Tage und Wochen zurück denke, befallen mich unendliche Gefühle von Trauer und Wut.
Trauer darüber, dass es für die betreffende Person keine Rettung gibt.
Wut darüber, dass sich die Gesellschaft zunehmend in eine Richtung bewegt, aus der zwangsläufig immer mehr dieser
sinistren Wesen geboren werden.
Ich schreibe um mich zu retten, wenn das überhaupt möglich ist, denn die hinterlassenen Spuren sind tief.
Ich schreibe als Dilettant, als zwangsläufig Betroffener.
Bisher war ich von dieser Art Problematik verschont und auch im Nachhinein will ich mich nur in so weit damit beschäftigen,
dass ich verstehen kann wie und was geschehen ist.
Ich habe einige Artikel, ein paar Bücher gelesen, aber hauptsächlich sind es Reflektionen aus meiner eigenen Erfahrung.
Das ist alles. Es geht um eine Begegnung, die keinen Vergleich kennt, die alles in meinem bisherigen Leben auf den Kopf gestellt hat.
Es geht um eine Frau, von der ich mittlerweile weiß, dass sie an einer Krankheit, einer psychischen Deformation leidet,
von der sie nichts weiß, oder besser nichts wissen will.
Wenn man die Person nicht kennt, ist alles schwer vorstellbar, wenn man sie kennt, ist es noch schwerer.
Niemand würde ahnen welche Sehnsucht nach Liebe, und welche verheerenden Kräfte der Zerstörung in dieser,
auf den ersten Blick sensibel scheinenden Persönlichkeit verborgen sind.
Möglicherweise war es von Anfang an eine glückliche Intuition, vielleicht aber auch mein tieferes Misstrauen, meine Ablehnung
gegen ihre, sich aus übertriebener Dramatik nährenden Choreografie.
Jedenfalls konnte ich mich eine ganze Zeit vor gewissen vorprogrammierten Abgründen bewahren.
Seit der ersten Begegnung, bis zum heutigen Tag, war mein Eindruck ohnehin, dass ich nicht gemeint sei,
dass ich nicht gemeint sein kann, dass alles ein großes Missverständnis sei. I
Ich entsprach keinem ihrer verbal manifestierten Träume, im Gegenteil.
Wie ich schon vermutete, waren ihre Träume Fiktion, so wie sie für sich selbst eine Fiktion ist.
Die Nachlese des Alptraumes sollte mir Recht geben, denn im Eigentlichen geht es in diesen Zusammenhängen nie um eine Person
mit konkreten Eigenschaften.
Vielleicht ist das einer der Gründe, warum man später, wenn man im Netzwerk verstrickt ist, schwer versteht was eigentlich vor sich geht,
ganz davon zu schweigen, dass man noch etwas davon beherrschen kann.
Jetzt, nachdem ich die Hintergründe kenne, ist mir vieles klarer geworden, erscheinen mir viele Handlungen und Unterlassungen
als zwangsläufig.
Im Nachhinein fühle ich nichts anderes als verzweifelte Ohnmacht und Wut.
Man will sich die kalte Dramaturgie der Berechnung, und ihre Zwangsläufigkeit nicht vorstellen.
Es ist die Irrationalität in reinster Form, verborgen hinter einem korrumpierenden Netz von Verstellung, Lüge, Selbstmitleid und Schuldzuweisung.
Paradoxerweise scheint jedoch von solch sinistren Todesengeln eine gewisse obsessive Faszination auszugehen,
denn wie lässt sich sonst erklären, dass man sämtliche rationale Grenzen verliert.
Das man fatalerweise bei jeder neuen Niederlage immer noch an Wunder glaubt, auch wenn man weiß, dass sie nie eintreten.
Am Ende steht nichts als gähnende Lehre und Bilder, die sich im Kopf fest krallen und die Eingeweide zerfressen haben.
Ich versuche im ersten Teil der Geschichte, vor allem mit meinen eigenen Worten, sachlich und unemotional wieder zu geben,
was ich erfahren und was ich im Nachhinein darüber gelesen habe.
Die Fachliteratur, die ich nur am Rande gestreift habe, half mir lediglich, die verschiedenen Stadien der Geschichte wieder zu erkennen.
Das geschriebene mag auf den ersten Blick analytisch und kalt erscheinen.
Es ist in keiner Weise meine Absicht, sondern eher der Versuch ohne irreführende Emotionen einen „roten Faden“ durch
das programmatische Labyrinth dieser pathologischen Dramaturgie zu finden.
Ich habe Artikel von Prof. Dr. Oliver Sacks, einen der bedeutendsten Neuropsychologen dieser Zeit,
Prof. Dr. R. D. Laings Kritischer Psychologie, „Das gespaltene Ich“, und Ch. R. Dachser „Das Borderline-Syndrom“ zu Hilfe genommen.
Anna Freud steht mit einem Zitat. Der folgende Text ist in einen Prolog und drei Ereignisebenen aufgeteilt.
Zum einen, weil es den tatsächlichen Ablauf widerspiegelt, zum anderen, weil die zeitliche Abfolge mit der im Nachhinein zu Hilfe genommenen Literatur augenfällige Analogien aufweist.
Das Geschriebene ist rein subjektiv, es hat keinen fachlichen Anspruch, es reflektiert lediglich meine persönlichen Gedächtnisaufzeichnungen
und setzt diese ins Verhältnis zu allgemein bekannten diagnostischen Erkenntnissen.
Prolog
„Pathographie“ , die Geschichte des Kranken. (Hypokrates)
Die Geschichte eines Menschen, ist die Geschichte seiner Krankheiten und jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte.
Nur aus diesem Zusammenhang heraus, lässt sich erklären was im Laufe der Zeit zu geistigen oder körperlichen Deformationen geführt haben mag.
Ich hab es gelesen, es leuchtet mir ein.
Der Begriff „Krankengeschichte“ ist damit nicht gleich zu setzen, er stammt aus neuerer Zeit.
Wie alles andere, vereinfacht und reduziert er die Krankheit, und ihre Behandlung nur auf ihren glücklichen oder unglücklichen Verlauf.
- „Mainstream“ - Der Mensch als Subjekt, seine Geschichte oder Vorgeschichte ist dabei vollkommen nebensächlich.
Welcher Arzt hätte heute noch die Zeit, sich die Lebensgeschichte eines Patienten an zu hören.
Das Wesen, um das es in Folge geht, ist Opfer und Täter in gleicher Person und das möglicherweise bis zur letzten Konsequenz.
Sie ist das Produkt einer auf Karriere, Selbstsucht, Gier und Vernichtung orientierten Außenwelt.
Die in Kindheit und Jugend erlittenen seelischen Verletzungen haben aus ihr einen pathologisch schizoiden Menschen gemacht.
Im neuzeitlichen Jargon nennt man diese psychische und charakterliche Deformation „Borderline-Syndrom“.
Auf den Punkt gebracht, ist es nichts anderes als eine Anpassungsneurose.
Anders gesagt, es ihr gelungen, sich ein falsches Selbst anzuschaffen, um sich an eine falsche bzw. fragwürdige „Normalität“ anzupassen.
So grenzwertig und destruktiv ihr Verhalten gegenüber anderen Personen auch immer sein mag, für sie ist es subjektiv funktional.
Das heißt, ihr autistisches Universum ist ihre „Normalität“ aus dem heraus sie in die Aussenwelt agiert.
Etwas anderes existiert nicht. In der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklung, in der sich sämtliche Zusammenhänge zunehmend
in Elementarteilchen auflösen, wird man diesen Geisteszustand leider bald als „normal“ bezeichnen dürfen.
Statistische Tendenzen neueren Datums weisen durchaus in diese Richtung.
Eine andere Hypothese, die ich zwischendurch in einem Vortrag hörte, ist auch nicht unwahrscheinlich.
Man behauptete hierin, dass es sich bei dieser zunehmend häufiger auftretenden Erscheinung bereits um eine neuronale Anpassung des Gehirns
an zukünftige Lebensbedingungen handeln könnte.
Wie dem auch sei, die nächsten Generationen dürfen sich auf einiges gefasst machen, auf das ich nicht neugierig bin.
Die Krankheit an sich findet ihren sichtbaren Ausdruck im Leiden an sich selbst, der konsequenten Vereinsamung in sich selbst.
Auch das ist eigentlich nichts außergewöhnliches mehr in unserer Zeit, im Gegenteil.
Es gibt jedoch einen gravierenden Unterschied zu zeitweisen oder auch permanent vereinsamten Wesen, die ab und an zur Depression neigen.
Der vom Borderline-Syndrom betroffene Personenkreis handelt immer nach einer offensiven Dramaturgie.
Alle Handlungen und Unterlassungen sind sowohl systematisch, als auch programmatisch auf die Erreichung eines nach außen gesteckten Zieles ausgerichtet.
In extremer Form sind diese Menschen, ohne das es ihnen jemals bewusst wird, Mörder und Selbstmörder in einer Person.
Zu ihrer einerseits angenommenen „Opferrolle“ gesellt sich ein ungewöhnlicher Destruktionszwang.
Er richtet sich sowohl gegen sich selbst, als auch gegen die Aussenwelt.
Die Vorgeschichte der Krankheit besteht aus einer Reihe von als demütigend empfundener Situationen.
An irgendeiner entscheidenden Schnittstelle setzt ein unumkehrbarer Prozess ein.
An diesem Punkt, auf einer frühen Ereignisebene des Bewusstwerdungsprozesses spaltet sich ihr Selbst.
Das heißt, von diesem Moment an weiß der eine nichts mehr vom anderen.
Oder der Engel weiß nichts vom Dämon.
Das Phänomen an sich, ist literarisch hoch interessant. Man kennt es aus Mythen, Märchen und später Verfilmungen,
die nicht selten einen Kultstatus erreichen.
Eigentlich ist die Zivilisationsgeschichte dicht bevölkert von diesen Figuren, den Herrschern, den Feldherren,
den vereinsamten Künstlern, den bourgeoisen Steppenwölfen und besonders in letzter Zeit den Kinderschändern und Serienkillern.
Eines haben sie alle gemeinsam, sie bezaubern, verführen, glänzen und erobern, aber in letzter Instanz vernichten sie gnadenlos.
Das Publikum vergießt Tränen über sich selbst. Im Gegensatz zu anderen Geisteskranken, ist am Verhalten von schizoiden Borderlinern,
zumindest anfänglich nicht viel auffälliges zu bemerken.
Ihr Verhalten ist zwar ab und an grenzwertig, wie der Name der Krankheit schon sagt, aber sie geben sich allgemein gesehen äußerste Mühe
um völlig „normal“ zu erscheinen.
Genau das ist auch das verwirrende oder überaus hinterhältige an diesem Phänomen.
In oberflächlichen Kontakten mit der Außenwelt gelingt es ihnen, anziehend, interessant, offen, reizend und charmant zu wirken.
In Gespräche geben sie sich ernsthaft und interessiert. Sie erzählen auffallend viel über sich selbst,
doch sie verschweigen immer das wesentlichste.
Wenn sie das geeignete berufliche Betätigungsfeld finden, über genügend Talent und Intelligenz verfügen, können sie
in einem begrenzten Bereich ungewöhnliche Dinge leisten.
Es werden jedoch nie außergewöhnliche Menschen im ethischen Sinn darunter zu finden sein, ganz im Gegenteil.
Ihr fehlendes Selbstwertgefühl, ihr extrem negatives Selbstbild und ihre krankhafte Selbstbezogenheit, verhindern jegliches zwischenmenschliche Engagement.
Auch wenn das angenommene, falsche Selbst alles daran setzt diese Defizite nach außen zu überspielen, sind sie nicht in der Lage
auch nur annähernd eine emotionale Beziehung zur Aussenwelt zu entwickeln.
Das irrational, destruktive Potential, schlummert latent wie eine Zeitbombe in ihnen.
Ohne den geringsten ethische Zweifel werden sie im Extremfall zu Kampf- und Karrieremaschinen, oder zu heimlich ruchlosen Mördern.
Die Tragik ihres Schicksals verzehrt sich zwischen grenzenloser Sehnsucht und der Unmöglichkeit von wirklicher Nähe zu anderen Personen,
vor allem zum anderen Geschlecht.
Die eingegangen Beziehungen entwickeln sich immer destruktiv.
Über kurze oder längere Zeit gestalten sie sich zu besonderen Schlachtfeldern, die mit selbst heftigen Dissonanzen in Partnerschaften
nicht zu vergleichen sind.
Autoprogrammatisch und skrupellos zerstören sie sich und den anderen gnadenlos.
Selbstaussagen von Borderlinepatienten.
* ist ein stimmungsschwankendes, selbstzerstörerisches, süchtiges, Monster.*
Bedeutet, dass ich die, die ich liebe verletzen muss. *
bedeutet für mich ein irrsinniges Gefühlschaos zwischen Liebe und Hass, Idealisierung und Abwertung,
in einer schwarz-weißen Welt, ohne Grenzen. *
Pathografie: Die Vorgeschichte
Die Neigung zum schizoiden Persönlichkeitsprofil entwickelt sich in frühester Kindheit, wahrscheinlich aber schon vorgeburtlich.
Ein zerbrechliches Wesen war unter Umständen starken Stresssituationen ausgesetzt, möglicherweise Gewalt.
In jedem Fall aber fehlen ihm Liebe, Vertrauen, Geborgenheit, Wärme, das Gefühl der Zugehörigkeit.
Mit Sicherheit kann sexueller Missbrauch im Kindesalter Ursache und später der Auslöser einer schizoiden Borderline-Entwicklung sein.
Überhöhte Erwartungshaltung (Vorzeigekinder), Leistungsdruck und emotionale Vernachlässigung seitens der Eltern sind
weitere typische Ursachen späterer Charakterdeformation.
In der Jugend zeichnen sich zwei Tendenzen ab, zum einen die, durch extreme Leistungen aufzufallen, oder zum anderen
die totale Verweigerung.
Beide Extreme dienen nur dazu, Aufmerksamkeit und Zuwendung der Außenwelt, aber vor allem der Eltern zu erzwingen.
In der Fachliteratur spricht man von einem schon früh ausgebildeten, neurotischen Zwangscharakter.
Um sich anzupassen, oder um aufzufallen wird gegenüber der Außenwelt ein Rollenspiel angenommen, was später
nur bedingt, durch eigene Einsicht und intensivste psychologische Behandlung wieder abzulegen ist.
Das innere Selbst wird geschützt vor körperlicher und seelischer Bedrohung, es zieht sich zurück und überlässt es dem äußeren,
falschen Selbst, die Interaktionen mit der Umwelt zu realisieren.
Das falsche Selbst „entsteht in Konformität mit den Intentionen oder Erwartungen der anderen oder mit dem,
was wir für die Intentionen und Erwartungen des anderen halten” (Laing, S. 121)
– z.B. ein „braves Mädchen sein”. (Laing) In Folge der ständig empfundenen seelischen Belastung, (emotionale Vernachlässigung,
verbale Demütigung, hohe Erwartungshaltung, Gewalt) teilt sich die noch unterentwickelte Psyche in positives Ich, negatives Ich (falsches Selbst)
und ein selektives Unterbewusstsein.
Diese Teile funktionieren unabhängig von einander und sind nicht in der Lage miteinander zu korrelieren.
Sie stehen außerdem permanent im totalen Konflikt zueinander.
Die Persönlichkeit, soweit man überhaupt davon sprechen kann, ist vollständig zerrissen.
Das negative Ich, sucht in erster Linie Konfliktpotential, dass heißt es erwartet,
dass sich die fiktiven oder tatsächlich erfahrenen Demütigungen (beides lässt sich späterhin nicht mehr von einander unterscheiden)
ihrer frühen Ereignisebene wiederholen.
Sein Programm ist späterhin permanent darauf ausgerichtet eine Bestätigung dafür in der Aussenwelt zu finden.
Es ist die fatale Rechtfertigung seiner amorphen Identität schlechthin.
Das positive Ich hingegen, ist auf ständiger Suche, die Defizite der Kindheit auszugleichen.
Das sind wie gesagt, Liebe, Geborgenheit, Vertrauen, Nähe, auch physische Nähe, Wärme, Verständnis, Anerkennung, Lob.
Das positive Ich findet später seine selektive Erfüllung in zahllosen Bekanntschaften.
Um nicht in Gefahr zu geraten, bleiben sie immer oberflächlich, denn sie sind bestimmt von Misstrauen und Angst vor Enttäuschung.
Es sucht allerdings, zwanghaft nach einer Person (Identifikatorbindung) in der es sich wirklich finden kann.
Das negative Ich findet seine Erfüllung, in der immer ungünstig erscheinenden Stellung gegenüber der Außenwelt
oder im potentiellen Täterprofil eines ins Visier geratenen Partners.
Nur das negative Ich, als das stärkere, selektiert was ins Unterbewusstsein aufgenommen wird.
Das ist, zumindest was den zwischenmenschlichen Bereich angeht, generell negativ.
Die wesentlichste Funktion im interaktiven Prozess zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein,
dass relativierende, korrelierende Element, die Selbstreflektion, ist beim schizoiden Borderliner verloren gegangen,
bzw. es hatte keine Gelegenheit sich überhaupt zu entwickeln.
Impulskontrolle oder logische Argumentation sind deshalb schwer, in Stresssituationen generell unmöglich.
Die Person hört nur, was sie hören will, sie sieht nur, was es sehen will.
Kurz gesagt, es findet substantiell eine selektive Wahrnehmung statt.
Die Selektion der Wahrnehmung übernimmt selbstverständlich das negativen Ich.
Sie wird unreflektiert an das Unterbewusstsein weitergegeben und dort gespeichert.
Gegenwärtige Vorgänge, Gespräche, Bilder, werden pedantisch, präzise (schwarz/weiss) selektiert.
Alles was in das entsprechende negativ Muster passt, wird gespeichert, alles andere hat nie stattgefunden.
Weil das Unterbewusstsein nur mit einseitigen Erfahrungen angereichert wird, gibt es keine Vermischung.
Es existieren in ihm nur schwarz oder weiss.
Zwischentöne die relativieren oder differenzieren könnten fehlen vollkommen.
Weil dieses Archiv einseitig unterernährt ist, funktioniert es so erstaunlich.
Selbst lang zurückliegende Gespräche oder Ereignisse können systematisch und detailgenau abgerufen und wiedergegeben werden.
Es sind aus einem größeren Zusammenhang selbstverständlich nur jene Details, die in das entsprechend vorgeprägte, negative Muster gepasst haben.
In Stress - Situationen bekämpfen sich positives und negatives Ich bis aufs Messer.
In der Regel ist das negative Ich in solchen Fällen stärker. Es übernimmt die Rolle des Verteidigers, der das Überleben sichert.
Der Kampf des negativen Ich kennt in solchen Situationen weder nach außen noch nach innen irgendwelche Grenzen.
Das Unterbewusstsein mit seinen gespeicherten negativen Erfahrungen ist für das negative Ich der wichtigste Verbündete.
Es ist seine Legitimation schlechthin.
Beide haben sich verzweifelt und mühevoll eine erbärmliche Identität erarbeitet.
Diese gilt es, koste was wolle zu erhalten. (selektives Unterbewusstsein + negatives Ich = Identität „falsches Selbst„)
De Facto ist die Persönlichkeitsentwicklung von Borderlinern auf einer früheren Ereignisebene stehen geblieben.
Das Bewusstsein ist und bleibt einseitig unterernährt, weil vom negativen Ich systematisch keine neuen Erfahrungen zugelassen werden.
Die alten Erfahrungsmuster mutieren in Folge zur Sklerose.
Im persönlichen Umgang erkennt man diesen Zustand am ständigen, gedanklichen und verbalen „Wiederkäuen“ der in der Vorstellungswelt
durchweg negativ vorhandenen Vergangenheit. „dieses abgesperrte und isolierte Selbst kann nicht durch äußere Erfahrung bereichert werden,
und so verarmt die ganze innere Welt immer mehr, bis das Individuum sich schließlich als bloßes Vakuum empfindet.”
(Laing, S.96) Ihr Blickfeld ist ständig nach rückwärts gewandt, sie drehen sich geistig nur um sich selbst.
Das heißt in der Praxis, ihr Lebensthema bleibt auf ein Minimum beschränkt.
Weil sich in ihren Gedanken immer das selbe abspielt, muss es sich in der Realität natürlich auch wiederholen.
In Folge möchte ich aus meiner Beobachtung einige offensichtlich typische äußere Verhaltensmuster für schizoide Borderliner aneinander reihen.
Wie seine innere, spaltet sich die äußere Welt in Gut und Böse, in Opfer und Täter.
Die Begriffe als solche, sind und bleiben im Bewusstsein des Betroffenen abstrakte Begriffe.
Er kann keinerlei realen oder emotionalen Bezug dazu finden.
Zum einen, weil sein Realitätsbild einseitig ist, zum anderen weil er Emotionen lediglich für sich, und zwar auf der Ebene von Selbstmitleid entwickeln kann.
Er definiert sich generell als Opfer. In seinen Augen ist das gleichbedeutend mit gut.
Er steht damit immer auf der richtigen, dass heißt, auf der guten Seite.
Er hat immer recht. Selbst Handlungen und Worte, die sich eindeutig negativ bewerten lassen, sind für ihn immer zu rechtfertigen.
(Ich konnte nicht anders weil …) Er wird sich dessen selbst nie bewusst, weil er, wie schon gesagt, nicht in der Lage ist zu reflektieren.
Durch seine krankhafte Selbstbezogenheit neigt er permanent zur Überbewertung von beliebigen Ereignissen.
Nach seiner Vorstellung geschieht nichts, ohne das seine Person in irgendeiner Art und Weise davon in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.
Sporadisch sucht er sich Themen und Inhalte, für die er sich engagiert und unter Umständen außergewöhnliche Risiken auf sich nimmt.
Er setzt sich kurzzeitig für jemand oder etwas ein, nicht weil er sich wirklich betroffen fühlt oder es ihn wirklich interessiert,
es geht nur darum, Aufmerksamkeit oder Nähe von der Aussenwelt zu erzwingen.
Diese Phasen werden immer kurzfristig sein. Wenn Aufmerksamkeit erreicht wurde, ist das persönliche Ziel erreicht,
alles weitere ist uninteressant.
Seine labile psychische Konstellation lässt längerfristige Ziele, Bindung oder Übernahme von Verantwortung nicht zu.
Durch sein nicht vorhandenes Selbstwertgefühl und sein negatives Selbstbild, hat er ständiges Misstrauen gegenüber der Außenwelt.
Er befindet sich permanent auf der Flucht, aus Angst das seine Defizite erkannt werden könnten.
Er ist unbehaust, dass heißt, seine Lebenszusammenhänge sind und bleiben chaotisch.
Er sucht deshalb immer Menschen, die er für seine praktischen oder organisatorischen Zwecke in Anspruch nehmen kann.
Hat er sich scheinbar völlig spontan ein größeres äußeres Ziel gesetzt, braucht er dazu Verbündete.
Er wird ihnen gegenüber auffallend agitativ werden und penetrant versuchen, sie von der Richtigkeit seiner Denkweise zu überzeugen.
Nicht weil er selbst an die Inhalte glaubt, es geht ihm darum, seine Gegenüber leichter als Freund oder Feind einstufen zu können.
Da es nicht wirklich um Inhalte geht, können sie vom Mal zu Mal unterschiedlich, ja sogar gegensätzlich sein.
Es wird ihm selbst nicht bewusst werden.
Wenn man darauf hinweist, fällt man automatisch in die Kategorie „Feind“.
Eine Borderliner Persönlichkeit neigt fast zwangsläufig zum politischen, religiösen Sektieren, oder zur Esoterik.
Beliebig Abstrakte Inhalte geben der inneren Zerrissenheit einen Halt, dem verhungertem Gehirn einen Inhalt und seiner angenommenen Rolle
einen pseudo-Pseud.geistigen Überbau. Esoterik ist mit Abstand die beliebteste Form der Realitätsflucht in diesem Personenkreis.
Aus dem tiefen Gefühl der Unsicherheit, der Minderwertigkeit, der Machtlosigkeit, glauben sie, sich unter dem Sammelsurium frei interpretierbarer Bedeutungen
scheinbare Macht und scheinbare Kräfte zueignen zu können.
Eine Macht, die natürlich auf keinem wirklichen Vermögen oder Talent beruht.
Bestenfalls reicht es dafür, sich zeitweise interessant zu machen, ein mehr oder weniger begnadetes Rollenspiel weiter zu führen.
Auch wenn sie für Außenstehende auf den ersten Blick so erscheinen,
mit menschlicher Spiritualität haben ihre angenommenen oder angelesenen Inhalte nichts zu tun.
Auf ernsthaftes Hinterfragen werden sie umgehend mit Misstrauen, Unverständnis, oder aggressiver Abweisung reagieren,
logische Argumentation ist vollkommen unmöglich.
„Das führt dazu, dass ein Borderliner kaum zu kritisieren ist, denn oft reicht schon die kleinste Kritik aus,
um vom Borderliner auf das heftigste entwertet zu werden.” (Wohlenberg)