Man muss sich immer vor Augen halten, dass es ihnen in allererster Linie darum geht, Aufmerksamkeit zu erhalten,
zu gefallen.
Haben sie konkrete Absichten oder ein programmatisch nach außen gestecktes Ziel (Macht, Karriere, eine Bindung)
wird die Dramaturgie noch undurchschaubarer.
Subtil schlüpfen sie in eine der vielen Rollen, die sie in der Vergangenheit angelernt haben.
Geschickt können sie sich in jeden, der betreffenden Situation dienlichen Charakter verwandeln.
Die Palette reicht vom armen, verletzten, hilflosen, und schutzbedürftigen, Wesen bis zum zielstrebigen, selbstbewussten,
skrupellosen Machtmensch.
Ihnen ist jedes Mittel recht und billig, um ein nach außen gestecktes Ziel zu erreichen.
In kompromittierenden Situationen stoßen Menschen mit Verstand und einem gesunden Selbstwertgefühl mehr oder weniger
schnell an die Grenzen ihrer selbst.
Für Borderliner gibt es diese Grenzen generell nicht.
Weil sie keinerlei Wertgefühl für sich selbst besitzen, sind sie im Zweifel unverletzbar.
Hinzu kommt, dass sie sich nicht im geringsten einer Schuld bewusst werden.
Sie stehen mit ihrer verinnerlichten Opferrolle immer auf der richtigen Seite.
Die gerade aufgezählten Verhaltensformen sind vielleicht im Einzelnen auch bei „normalen“ Menschen in milderen Formen
nicht außergewöhnlich.
Deshalb werden Borderliner bei kurzzeitigen Begegnungen kaum auffallen und sich im praktischen Leben mitunter gut behaupten.
Er hat meisterhaft gelernt seine Defizite nach außen auszugleichen um die passende Rollen zu spielen.
In seinem Inneren allerdings sieht es anders aus.
Hier setzt sich der destruktive Prozess ungehindert fort.
Beliebige Ereignisse können in mehr oder weniger großen Abständen seinen Gemütszustand in extremster Form erschüttern.
Die Palette reicht vom zeitweisen völligen Zusammenbruch bis zu hysterischen Höhenflug.
Aber selbst hier darf man skeptisch sein.
Weder von ihm, noch von der Aussenwelt ist wirklich zu unterscheiden was gespielt und was echt ist.
Wenn es dem falschen Selbst notwendig erscheint Aufmerksamkeit zu erzwingen, können selbst depressive Phasen
über einen längeren Zeitraum in allen Facetten meisterhaft gespielt werden, genauso
wie das plötzlich wieder völlig gesund sein.
Die gespaltene Psyche ist bis zur Selbstauflösung in einem Labyrinth von Ausgleich und Ersatz ihrer Defizite gefangen,
so seltsam die Mittel dazu erscheinen mögen. ( reff. O. Sacks, nächster Part.)
Part 1: Verwandlung
Im diesem Part möchte ich versuchen, eine für mich logische Erklärung der psychologischen Zusammenhänge,
der eventuellen Ursachen und ihrer Zwangsläufigkeit zu finden.
Ich beginne den Scherbenhaufen zu sichten, die einzelnen Elemente nach Größe, Form und Ornament zu sortieren,
um sie später Stück für Stück ineinander zu fügen.
Mich interessiert das Phänomen an sich und wie es dazu gekommen ist.
Ich kann es natürlich nicht losgelöst von der Person sehen, denn nur aus mitgeteiltem und erfahrenen lässt sich das Bild einigermaßen vervollständigen.
Die Bedeutung vieler Details begreife ich erst im Nachhinein und vermag aus ihnen die Komplexität der Zusammenhänge ermessen.
An diesem Punkt glaube ich, kann man schnell der Verführung erliegen, aus der Komplexität der Ereignisebenen sowohl eine Zwangsläufigkeit,
als auch eine unendliche Aneinanderreihung von Ursache und Folgen abzuleiten.
Tatsächlich glaube ich aber, dass sich vieles auf wenige Schlüsselerlebnisse, sozusagen auf „Schnittpunkte“ reduzieren lässt,
aus denen in Folge immer die gleichen Verhaltensmuster resultieren.
„[…] das Organismus und Individuum, immer auch die Möglichkeit haben, etwas wiederherzustellen, zu ersetzen oder auszugleichen,
egal wie seltsam die Mittel zu diesem Zweck sein mögen.”
An dieser Stelle möchte ich dieses Zitatfragment von Oliver Sacks einfügen, weil mir hierzu einiges aufgefallen ist.
Ich weiß allerdings nicht, ob meine Lesart in seinem Sinne ist, jedenfalls aber könnte sie es sein.
Mir fielen bei diesem Zitat besonders die Worte „ersetzen“, „ausgleichen“ , „wie seltsam die Mittel zu diesem Zweck“ ins Auge.
Es ist allgemein bekannt, dass dem menschlichen Organismus viele Mechanismen zur Selbstheilung zu Verfügung stehen,
dass er letztendlich physisch, als auch psychisch so programmiert ist, sich selbst helfen zu können.
Sowohl beim dem Versuch eine Erklärung für die Ursachen, als auch eine Erklärung für die weitere Entwicklung zu finden, stoße ich schnell auf die Frage
der Zwangsläufigkeit.
Sind im Vorfeld bereits spezifisch genetische oder charakterliche Veranlagungen richtungsweisend und welche Rolle spielen die äußeren Bedingungen dabei?
Ich habe nichts darüber gelesen, ich schreibe aus meinen Beobachtungen und ziehe Schlussfolgerungen aus mir bekannten Biografien,
die ähnlich seltsame Brüche aufweisen.
Es werden aber Gedanken und Mutmaßungen bleiben.
Lassen sie mich davon ausgehen, dass die Ursache von Charakterdeformationen die sich später in manifesten Persönlichkeitsstörungen äußern,
wie schon gesagt, in frühester Kindheit liegen.
Es sind für die Betroffenen de Facto immer Grenzerfahrungen.
Nach Selbstaussagen wurden diese Grenzerfahrungen, aus mehr oder weniger nachvollziehbaren Gründen, als demütigend,
schmerzlich, verletzend, empfunden.
Ich frage mich spätestens in diesem Moment. Wie lässt sich erklären, dass bei Kindern, die unter extremen äußeren Bedingungen aufwuchsen,
später keinerlei Charakterdeformation erkennbar werden und wie kommt es, dass sich bei Kindern, die von außen besehen unter idealen Verhältnissen aufwuchsen,
später vollkommen gestörte Charaktere herausgebildet haben.
Ohne Zweifel besteht ein Zusammenhang zwischen genetischer Veranlagungen und äußeren Bedingungen.
Beide Komponenten beeinflussen zu einem frühen Zeitpunkt die Persönlichkeitsentwicklung in die eine oder andere Richtung.
An die Zwangsläufigkeit zur Fehlentwicklung glaube ich nur in einem Moment,
nämlich wenn zu diesem Zeitpunkt ein wichtiger Kontrollmechanismus – die Selbstreflektion – im frühen Bewusstsein unterentwickelt bzw.
nicht vorhanden war.
Diese Kontrollfunktion korreliert zwischen Ereignisebene und eigener Reaktion, zwischen dem Außen und dem Selbst.
Der Prozess der Selbstreflektion kann sowohl erhebend als auch schmerzlich sein.
Er wird letztendlich einen weiteren wichtigen Baustein der Persönlichkeit, das Selbstbild bestimmen.
Äußere Bedingungen die im kindlichen Stadium als Stresssituationen empfunden werden, evozieren automatisch einen bewussten Entscheidungsprozess.
Für die jeweilige Ereignisebene bedeutet es Anpassung oder Subversion. (Ich lasse mit mir geschehen, will lieb Kind sein oder ich setze mich zur Wehr.)
Bei einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung gehe ich davon aus, dass der Entscheidungsprozess zwischen den beiden Formen
mehr oder weniger intuitiv aber ausgewogen von statten geht.
Das heißt es wird sowohl Anpassung als auch Subversion geben.
Von einer charakterlichen Fehlentwicklung würde ich nur dann sprechen, wenn die Neigung zum einen oder anderen zwanghaft ist.
Ein anderer Aspekt ist die manipulative Fähigkeit.
Sie gehört selbstverständlich zum kindlichen Repertoire um einen Willen durchzusetzen, oder sich anzupassen.
Sie gehört ohne Zweifel zum aktiven Bestandteil einer Entwicklung.
Ohne bewusste Absicht sind die einen Kinder darin talentierter als andere.
Ein sicheres Anzeichen für eine sich abzeichnende charakterliche Fehlentwicklung ist jedoch, wenn manipulative Fähigkeiten programmatisch werden.
Möglicherweise treffe ich hier auf eine wichtige Schnittstelle.
Offensichtlich können bestimmte Defizite auf diese Weise ersetzt oder ausgeglichen werden.
Ich vermute, dass die Veranlagungen hierzu vom 2. bis 4. Lebensjahr ausgeprägt werden.
Keine emotionale Mutterbindung, Inkonsequenz, emotionale Vernachlässigung, fehlendes Zugehörigkeitsempfinden, etc.
können Ursachen sein.
Entscheidungen der Aussenwelt (den Eltern) zu überlassen sind ohnehin bequem.
Mit jener früh ausgeprägten Veranlagung, wird ein Kind versuchen, jeden eigenen Entscheidungsprozess dadurch zu ersetzen,
dass es die Entscheidung der Aussenwelt zum seinen Gunsten manipuliert
(In Familiensituationen mit zumindest einem stark charismatischen Elternteil fast zwangsläufig.)
Ich würde sagen, in diesem Moment ist ein gesunder charakterlicher Entwicklungsprozess gestört.
Hier ist auch der Ansatzpunkt für meine archäologische Feldarbeit.
Bewusst unterlassene Entscheidungen stehen am Anfang einer Kette von zwangsläufigen Verhaltensmustern, die sich späterhin völlig verselbständigen.
Selbstwert, Selbstvertrauen, Verantwortungsgefühl, Selbstbild, Wille, Ausdauer, sind ohne die Fähigkeit selbst Entscheidungen zu treffen,
undenkbar. Dieses Defizit kann natürlich durch die erlernte, viel bequemere Form des manipulierens ersetzt (!) werden.
Sie entbindet jedenfalls in Folge von jeder eigenen Verantwortlichkeit.
Aber diese, in erster Instanz bequeme Lösung, wird zukünftig noch weitreichende Konsequenzen für das Selbstbild und das entsprechende Selbstwertgefühl haben.
Das Selbstbild formt sich maßgeblich in der Bewusstwerdung getroffener oder unterlassener Entscheidungen, auf einer als demütigend empfundenen Ereignisebene.
Aus der nicht (!) getroffenen Entscheidung, sich aus einer als demütigend empfundenen Situation zu befreien, sondern sich anzupassen
(des trotzdem gefallen wollens) wird sich später ein negatives Selbstbild ableiten.
Dieses negative Selbstbild, das eigene Versagen wird, mit Sicherheit immer als Belastung empfunden werden.
Ich glaube, dass später angenommene, falsche Selbst wird versuchen diesen Makel durch Selbstmanipulation auszugleichen(!).
Es ist nahliegend, dass es einer späteren Bewusstseinsstufe den Begriff des „Opfers“ etabliert und im Unterbewusstsein installiert.
In der Konsequenz wird das Erwachsen werdende Wesen von jeglicher Schuld oder Eigenverantwortlichkeit in einer von außen entstandenen
oder selbst herbeigeführten Konfliktsituation freigesprochen.
Mit anderen Worten, mit diesem früh festgelegten Programm, kann es jeglicher Selbstreflektion ausweichen.
Dieses Wesen fühlt sich zwar den äußeren Umständen permanent ausgeliefert, ist aber, sofern sie ein Scheitern bedeuten, immer schuldlos.
(als ob es selbst nie dabei gewesen wäre )
Festzulegen, in welchem Lebensalter diese fatale Programmierung beginnt, wäre für mich reine Spekulation.
Die nächste „Schnittstelle“ in der Reihe von Zwangsläufigkeiten ist die, an dem die Entscheidung getroffen wurde ein Rollenspiel anzunehmen.
Ich glaube, in der Realität ist der Prozess fließend, aber es muss trotzdem irgendwann einen besonderen Anlass dazu gegeben haben.
Es war eine bewusste Entscheidung, dass steht außer Frage.
(Selbstaussage: „Als er in mein Zimmer kam und das Licht anschaltete, habe ich in meinem Kopf das Licht ausgemacht.”)
Ob in der Folge die Zwänge zwingend waren, oder die Motive wirklich überlebenswichtig, sei dahingestellt.
Es geht in erster Linie darum, dass diese Entscheidung eine bewusste Entscheidung war.
Es ist die Entscheidung zur Anpassung an eine, als überaus demütigend empfundene Lebenssituation.
Angenommen dieser Stresszustand setzt sich über einen längeren Zeitraum fort, so ist es wiederum zwangsläufig,
dass das einmal angenommene Rollenspiel zum permanenten Instrumentarium wird.
In kurzer Zeit verschmelzen Charakter und Rolle übergangslos ineinander.
Sowohl von der Außenwelt, als auch für die Person selbst, werden sie später nicht oder nur schwer von einander zu unterscheiden sein.
Wird diese frühe Anpassungsdeformation durch die Außenwelt nicht erkannt und entsprechend psychologisch aufgearbeitet
und behandelt, setzt sich der einmal in Gang gekommene Prozess ungehindert fort.
Der eigentlich folgenschwerste innere Konflikt beginnt aber erst im Alter des Erwachsen werdens.
In bestimmten Momenten der Selbstwahrnehmung und das sind immer Konfliktsituationen, wird folgendes passieren.
Die Person wird mit sich, durch notwendige aber unterlassene Entscheidungen entzweit sein.
Sie wird Scham über die Feigheit, die Fragwürdigkeit der Motive, das eigene Versagen empfinden.
Für sie selbst und vor der Aussenwelt wird es durch nichts zu rechtfertigen sein.
In Folge wird die Wut über die erlittene Demütigung, die Scham über das eigene Versagen, der Auslöser sein für eine destruktive Energie,
die sich mit jedem weiteren Versagen steigert.
Der gesamte Verlauf des Lebens wird von dieser Energie bestimmt werden.
Sie kann sich sowohl nach innen als nach außen richten.
Die Zerstörung der eigenen, aber vor allem jeder anderen Person, zu der physische und psychische Nähe gelungen ist,
wird unbewusst zum Lebensprogramm.
Die Destruktion als solche erfüllt das magersüchtige Hirn mit Genugtuung, das erkältete Herz mit Triumph.
Das Rollenspiel in seinem gesamten unseligen Repertoire ist hierbei von besonderer Bedeutung.
Es dient sowohl der Verführung als auch der späteren Selbstrechtfertigung.
In dem Moment wird aus dem vermeintlichen Opfer ein Täter.
zu gefallen.
Haben sie konkrete Absichten oder ein programmatisch nach außen gestecktes Ziel (Macht, Karriere, eine Bindung)
wird die Dramaturgie noch undurchschaubarer.
Subtil schlüpfen sie in eine der vielen Rollen, die sie in der Vergangenheit angelernt haben.
Geschickt können sie sich in jeden, der betreffenden Situation dienlichen Charakter verwandeln.
Die Palette reicht vom armen, verletzten, hilflosen, und schutzbedürftigen, Wesen bis zum zielstrebigen, selbstbewussten,
skrupellosen Machtmensch.
Ihnen ist jedes Mittel recht und billig, um ein nach außen gestecktes Ziel zu erreichen.
In kompromittierenden Situationen stoßen Menschen mit Verstand und einem gesunden Selbstwertgefühl mehr oder weniger
schnell an die Grenzen ihrer selbst.
Für Borderliner gibt es diese Grenzen generell nicht.
Weil sie keinerlei Wertgefühl für sich selbst besitzen, sind sie im Zweifel unverletzbar.
Hinzu kommt, dass sie sich nicht im geringsten einer Schuld bewusst werden.
Sie stehen mit ihrer verinnerlichten Opferrolle immer auf der richtigen Seite.
Die gerade aufgezählten Verhaltensformen sind vielleicht im Einzelnen auch bei „normalen“ Menschen in milderen Formen
nicht außergewöhnlich.
Deshalb werden Borderliner bei kurzzeitigen Begegnungen kaum auffallen und sich im praktischen Leben mitunter gut behaupten.
Er hat meisterhaft gelernt seine Defizite nach außen auszugleichen um die passende Rollen zu spielen.
In seinem Inneren allerdings sieht es anders aus.
Hier setzt sich der destruktive Prozess ungehindert fort.
Beliebige Ereignisse können in mehr oder weniger großen Abständen seinen Gemütszustand in extremster Form erschüttern.
Die Palette reicht vom zeitweisen völligen Zusammenbruch bis zu hysterischen Höhenflug.
Aber selbst hier darf man skeptisch sein.
Weder von ihm, noch von der Aussenwelt ist wirklich zu unterscheiden was gespielt und was echt ist.
Wenn es dem falschen Selbst notwendig erscheint Aufmerksamkeit zu erzwingen, können selbst depressive Phasen
über einen längeren Zeitraum in allen Facetten meisterhaft gespielt werden, genauso
wie das plötzlich wieder völlig gesund sein.
Die gespaltene Psyche ist bis zur Selbstauflösung in einem Labyrinth von Ausgleich und Ersatz ihrer Defizite gefangen,
so seltsam die Mittel dazu erscheinen mögen. ( reff. O. Sacks, nächster Part.)
Part 1: Verwandlung
Im diesem Part möchte ich versuchen, eine für mich logische Erklärung der psychologischen Zusammenhänge,
der eventuellen Ursachen und ihrer Zwangsläufigkeit zu finden.
Ich beginne den Scherbenhaufen zu sichten, die einzelnen Elemente nach Größe, Form und Ornament zu sortieren,
um sie später Stück für Stück ineinander zu fügen.
Mich interessiert das Phänomen an sich und wie es dazu gekommen ist.
Ich kann es natürlich nicht losgelöst von der Person sehen, denn nur aus mitgeteiltem und erfahrenen lässt sich das Bild einigermaßen vervollständigen.
Die Bedeutung vieler Details begreife ich erst im Nachhinein und vermag aus ihnen die Komplexität der Zusammenhänge ermessen.
An diesem Punkt glaube ich, kann man schnell der Verführung erliegen, aus der Komplexität der Ereignisebenen sowohl eine Zwangsläufigkeit,
als auch eine unendliche Aneinanderreihung von Ursache und Folgen abzuleiten.
Tatsächlich glaube ich aber, dass sich vieles auf wenige Schlüsselerlebnisse, sozusagen auf „Schnittpunkte“ reduzieren lässt,
aus denen in Folge immer die gleichen Verhaltensmuster resultieren.
„[…] das Organismus und Individuum, immer auch die Möglichkeit haben, etwas wiederherzustellen, zu ersetzen oder auszugleichen,
egal wie seltsam die Mittel zu diesem Zweck sein mögen.”
An dieser Stelle möchte ich dieses Zitatfragment von Oliver Sacks einfügen, weil mir hierzu einiges aufgefallen ist.
Ich weiß allerdings nicht, ob meine Lesart in seinem Sinne ist, jedenfalls aber könnte sie es sein.
Mir fielen bei diesem Zitat besonders die Worte „ersetzen“, „ausgleichen“ , „wie seltsam die Mittel zu diesem Zweck“ ins Auge.
Es ist allgemein bekannt, dass dem menschlichen Organismus viele Mechanismen zur Selbstheilung zu Verfügung stehen,
dass er letztendlich physisch, als auch psychisch so programmiert ist, sich selbst helfen zu können.
Sowohl beim dem Versuch eine Erklärung für die Ursachen, als auch eine Erklärung für die weitere Entwicklung zu finden, stoße ich schnell auf die Frage
der Zwangsläufigkeit.
Sind im Vorfeld bereits spezifisch genetische oder charakterliche Veranlagungen richtungsweisend und welche Rolle spielen die äußeren Bedingungen dabei?
Ich habe nichts darüber gelesen, ich schreibe aus meinen Beobachtungen und ziehe Schlussfolgerungen aus mir bekannten Biografien,
die ähnlich seltsame Brüche aufweisen.
Es werden aber Gedanken und Mutmaßungen bleiben.
Lassen sie mich davon ausgehen, dass die Ursache von Charakterdeformationen die sich später in manifesten Persönlichkeitsstörungen äußern,
wie schon gesagt, in frühester Kindheit liegen.
Es sind für die Betroffenen de Facto immer Grenzerfahrungen.
Nach Selbstaussagen wurden diese Grenzerfahrungen, aus mehr oder weniger nachvollziehbaren Gründen, als demütigend,
schmerzlich, verletzend, empfunden.
Ich frage mich spätestens in diesem Moment. Wie lässt sich erklären, dass bei Kindern, die unter extremen äußeren Bedingungen aufwuchsen,
später keinerlei Charakterdeformation erkennbar werden und wie kommt es, dass sich bei Kindern, die von außen besehen unter idealen Verhältnissen aufwuchsen,
später vollkommen gestörte Charaktere herausgebildet haben.
Ohne Zweifel besteht ein Zusammenhang zwischen genetischer Veranlagungen und äußeren Bedingungen.
Beide Komponenten beeinflussen zu einem frühen Zeitpunkt die Persönlichkeitsentwicklung in die eine oder andere Richtung.
An die Zwangsläufigkeit zur Fehlentwicklung glaube ich nur in einem Moment,
nämlich wenn zu diesem Zeitpunkt ein wichtiger Kontrollmechanismus – die Selbstreflektion – im frühen Bewusstsein unterentwickelt bzw.
nicht vorhanden war.
Diese Kontrollfunktion korreliert zwischen Ereignisebene und eigener Reaktion, zwischen dem Außen und dem Selbst.
Der Prozess der Selbstreflektion kann sowohl erhebend als auch schmerzlich sein.
Er wird letztendlich einen weiteren wichtigen Baustein der Persönlichkeit, das Selbstbild bestimmen.
Äußere Bedingungen die im kindlichen Stadium als Stresssituationen empfunden werden, evozieren automatisch einen bewussten Entscheidungsprozess.
Für die jeweilige Ereignisebene bedeutet es Anpassung oder Subversion. (Ich lasse mit mir geschehen, will lieb Kind sein oder ich setze mich zur Wehr.)
Bei einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung gehe ich davon aus, dass der Entscheidungsprozess zwischen den beiden Formen
mehr oder weniger intuitiv aber ausgewogen von statten geht.
Das heißt es wird sowohl Anpassung als auch Subversion geben.
Von einer charakterlichen Fehlentwicklung würde ich nur dann sprechen, wenn die Neigung zum einen oder anderen zwanghaft ist.
Ein anderer Aspekt ist die manipulative Fähigkeit.
Sie gehört selbstverständlich zum kindlichen Repertoire um einen Willen durchzusetzen, oder sich anzupassen.
Sie gehört ohne Zweifel zum aktiven Bestandteil einer Entwicklung.
Ohne bewusste Absicht sind die einen Kinder darin talentierter als andere.
Ein sicheres Anzeichen für eine sich abzeichnende charakterliche Fehlentwicklung ist jedoch, wenn manipulative Fähigkeiten programmatisch werden.
Möglicherweise treffe ich hier auf eine wichtige Schnittstelle.
Offensichtlich können bestimmte Defizite auf diese Weise ersetzt oder ausgeglichen werden.
Ich vermute, dass die Veranlagungen hierzu vom 2. bis 4. Lebensjahr ausgeprägt werden.
Keine emotionale Mutterbindung, Inkonsequenz, emotionale Vernachlässigung, fehlendes Zugehörigkeitsempfinden, etc.
können Ursachen sein.
Entscheidungen der Aussenwelt (den Eltern) zu überlassen sind ohnehin bequem.
Mit jener früh ausgeprägten Veranlagung, wird ein Kind versuchen, jeden eigenen Entscheidungsprozess dadurch zu ersetzen,
dass es die Entscheidung der Aussenwelt zum seinen Gunsten manipuliert
(In Familiensituationen mit zumindest einem stark charismatischen Elternteil fast zwangsläufig.)
Ich würde sagen, in diesem Moment ist ein gesunder charakterlicher Entwicklungsprozess gestört.
Hier ist auch der Ansatzpunkt für meine archäologische Feldarbeit.
Bewusst unterlassene Entscheidungen stehen am Anfang einer Kette von zwangsläufigen Verhaltensmustern, die sich späterhin völlig verselbständigen.
Selbstwert, Selbstvertrauen, Verantwortungsgefühl, Selbstbild, Wille, Ausdauer, sind ohne die Fähigkeit selbst Entscheidungen zu treffen,
undenkbar. Dieses Defizit kann natürlich durch die erlernte, viel bequemere Form des manipulierens ersetzt (!) werden.
Sie entbindet jedenfalls in Folge von jeder eigenen Verantwortlichkeit.
Aber diese, in erster Instanz bequeme Lösung, wird zukünftig noch weitreichende Konsequenzen für das Selbstbild und das entsprechende Selbstwertgefühl haben.
Das Selbstbild formt sich maßgeblich in der Bewusstwerdung getroffener oder unterlassener Entscheidungen, auf einer als demütigend empfundenen Ereignisebene.
Aus der nicht (!) getroffenen Entscheidung, sich aus einer als demütigend empfundenen Situation zu befreien, sondern sich anzupassen
(des trotzdem gefallen wollens) wird sich später ein negatives Selbstbild ableiten.
Dieses negative Selbstbild, das eigene Versagen wird, mit Sicherheit immer als Belastung empfunden werden.
Ich glaube, dass später angenommene, falsche Selbst wird versuchen diesen Makel durch Selbstmanipulation auszugleichen(!).
Es ist nahliegend, dass es einer späteren Bewusstseinsstufe den Begriff des „Opfers“ etabliert und im Unterbewusstsein installiert.
In der Konsequenz wird das Erwachsen werdende Wesen von jeglicher Schuld oder Eigenverantwortlichkeit in einer von außen entstandenen
oder selbst herbeigeführten Konfliktsituation freigesprochen.
Mit anderen Worten, mit diesem früh festgelegten Programm, kann es jeglicher Selbstreflektion ausweichen.
Dieses Wesen fühlt sich zwar den äußeren Umständen permanent ausgeliefert, ist aber, sofern sie ein Scheitern bedeuten, immer schuldlos.
(als ob es selbst nie dabei gewesen wäre )
Festzulegen, in welchem Lebensalter diese fatale Programmierung beginnt, wäre für mich reine Spekulation.
Die nächste „Schnittstelle“ in der Reihe von Zwangsläufigkeiten ist die, an dem die Entscheidung getroffen wurde ein Rollenspiel anzunehmen.
Ich glaube, in der Realität ist der Prozess fließend, aber es muss trotzdem irgendwann einen besonderen Anlass dazu gegeben haben.
Es war eine bewusste Entscheidung, dass steht außer Frage.
(Selbstaussage: „Als er in mein Zimmer kam und das Licht anschaltete, habe ich in meinem Kopf das Licht ausgemacht.”)
Ob in der Folge die Zwänge zwingend waren, oder die Motive wirklich überlebenswichtig, sei dahingestellt.
Es geht in erster Linie darum, dass diese Entscheidung eine bewusste Entscheidung war.
Es ist die Entscheidung zur Anpassung an eine, als überaus demütigend empfundene Lebenssituation.
Angenommen dieser Stresszustand setzt sich über einen längeren Zeitraum fort, so ist es wiederum zwangsläufig,
dass das einmal angenommene Rollenspiel zum permanenten Instrumentarium wird.
In kurzer Zeit verschmelzen Charakter und Rolle übergangslos ineinander.
Sowohl von der Außenwelt, als auch für die Person selbst, werden sie später nicht oder nur schwer von einander zu unterscheiden sein.
Wird diese frühe Anpassungsdeformation durch die Außenwelt nicht erkannt und entsprechend psychologisch aufgearbeitet
und behandelt, setzt sich der einmal in Gang gekommene Prozess ungehindert fort.
Der eigentlich folgenschwerste innere Konflikt beginnt aber erst im Alter des Erwachsen werdens.
In bestimmten Momenten der Selbstwahrnehmung und das sind immer Konfliktsituationen, wird folgendes passieren.
Die Person wird mit sich, durch notwendige aber unterlassene Entscheidungen entzweit sein.
Sie wird Scham über die Feigheit, die Fragwürdigkeit der Motive, das eigene Versagen empfinden.
Für sie selbst und vor der Aussenwelt wird es durch nichts zu rechtfertigen sein.
In Folge wird die Wut über die erlittene Demütigung, die Scham über das eigene Versagen, der Auslöser sein für eine destruktive Energie,
die sich mit jedem weiteren Versagen steigert.
Der gesamte Verlauf des Lebens wird von dieser Energie bestimmt werden.
Sie kann sich sowohl nach innen als nach außen richten.
Die Zerstörung der eigenen, aber vor allem jeder anderen Person, zu der physische und psychische Nähe gelungen ist,
wird unbewusst zum Lebensprogramm.
Die Destruktion als solche erfüllt das magersüchtige Hirn mit Genugtuung, das erkältete Herz mit Triumph.
Das Rollenspiel in seinem gesamten unseligen Repertoire ist hierbei von besonderer Bedeutung.
Es dient sowohl der Verführung als auch der späteren Selbstrechtfertigung.
In dem Moment wird aus dem vermeintlichen Opfer ein Täter.