Liebe Leser
Für einmal klage ich nicht, sondern bedanke mich bei diesem Tag, beim Leben, bei allem, das mich umgibt und mich bewegt, dass es so ist wie es ist. Seit gestern, seit den lieben und guten Wechseln hier im Forum und meinen eigenen Gedanken, hat sich so vieles zum Guten verändert, dass ich mit enormer Zuversicht und Freude in die Zukunft schauen darf.
Nicht dass mir irgendetwas Wahnsinniges passiert wäre oder etwas Aussergewöhnliches an mich getreten wäre, es ist einfach das Gefühl, das mir Auftrieb in bisher ungekanntem Ausmass beschert. Zum einen waren es bestimmt tulpes (danke, liebe tulpe!) Ansichten und Einsichten, sternenzaubers :schmatz: allerliebste Worte, knooppunts
liebenswürdige und so echte Unterstützung und Euer aller Mitfühlen und Mitdenken, die mich auf eine neue Art über mich und die Dinge, die mich bewegen, haben nachdenken lassen. Andrerseits waren es schlicht auch Vorgänge in mir drin, die mich aufstellten und weiter gehen liessen.
Das tönt vielleicht für Euch nicht so wahnsinnig, wie ich es erlebe, aber ich will trotzdem ein wenig erzählen. Kann sein, dass es auch für Euch hilfreich sein kann...
Die vergangenen Wochen waren für mich sehr intensiv mit Verarbeitung, Schmerzen und Trauer gespickt und ich konnte zeitweise an gar nichts anderes mehr denken als an den grossen Verlust an Liebe, Geborgenheit, Nähe, Freude, Zärtlichkeit, Zukunft und Sicherheit. Die Frau, die mich in den letzten vier Jahren jeden Tag begleitet hatte, war allgegenwärtig und löste in mir heftigste Gefühle aus. Ich zweifelte an allem, an mir und an der Zukunft, hatte keine Perspektiven mehr und sah in nichts mehr einen wirklichen Wert. Das einzige, was mich wirklich am Leben (ich hatte und habe keine Absicht, etwas gegen mein Leben zu tun!) erhielt waren meine Kinder. Ich meine damit, dass ich die Lust am Leben verloren hatte und keinen Sinn mehr sah, mich für irgendetwas einzusetzen, auf irgendetwas hinzuarbeiten, mich auf irgendetwas zu freuen. Es war mir alles so gleichgültig geworden.
Gestern überkam mich eine Wut auf dieses Mich-Gehen-Lassen, ich wurde wütend auf mich, weil ich mich selber so abhängig gemacht hatte von einem einzigen Gefühl, von einer einzigen grossen Trauer, von meinem eigenen Elend und den Verletzungen. Mir wurde auch bewusst, dass ich nicht der einzige bin, dem es nicht gut geht, dass es viele Menschen, Euch zum Beispiel, gibt, die in ähnlichen oder noch viel schlimmeren Situationen stecken und auch ein Leben für sich haben, das ihnen geschenkt worden ist. Ja, es ist ein Geschenk, dieses Leben und die Zeit, die wir zur Verfügung haben, zwischen Geburt und Tod, ist das zweite grosse Geschenk, das jeder und jede für sich alleine, ganz persönlich, erhalten hat. Was ich mit diesen Geschenken mache liegt zu einem grossen Teil an mir selber, da kann mir niemand dreinreden und es auch nicht für mich erledigen. Da muss ich selber durch und eigentlich bin ich da auch immer alleine. Es nützt mir nichts, mich über etwas zu beklagen, das ich selber in die Hand nehmen kann und das in einem gewissen Rahmen von mir beeinflussbar ist. Solange ich nichts dafür tue, dass es besser, anders, neu, spannender oder was auch immer wird, kann ich mich nicht beklagen.
So wurde mir bewusst, dass ich mich in gewisser Weise im Dreck, der ich selber bin, suhlte, dass ich mir mit vielen Gefühlen und Gedanken selber Schmerzen zufügte, indem ich sie in voller Intensität 'reinzog und mich darin fallen liess. Ich hätte wahrscheinlich nie diesen Bewusstseinsstand erreicht, wäre ich nicht durch die Talsohle der Emotionen gegangen, hätte ich mich nicht voll und ganz damit auseinandergesetzt. Aber es tat zuweilen so weh, dass ich es fast nicht aushielt.
Irgendwann haben sich die Gefühle und Schmerzen zu wiederholen begonnen, haben die immer gleichen Muster angenommen und ich konnte mich (habe das gestern auch geschrieben) gar nicht mehr so traurig fühlen, wie ich es gerne gehabt hätte, um wieder weinen zu müssen, um wieder die ganz heftigen Schmerzen zu fühlen, um keinen Ausweg mehr zu sehen. Es ging nicht mehr und das hat mich zum Nachdenken bewegt. Im Gegensatz zu den Überlegungen vorher stand nun nicht mehr mein Leid im Zentrum, sondern das Nicht-Leid. Es ist langweilig geworden, mich immer an denselben Gefühlen aufzuschaukeln, die Trauer hat ihren Reiz verloren, die Tränen wollten nicht mehr fliessen. Warum?
Ich hatte in den emotional intensivsten vier Monaten meines Lebens alle Stimmungen erlebt, die es zu erleben gab, habe jede Dreckgrube zum Anlass genommen, mich hineinfallen zu lassen. So richtig, mit allem was dazu gehört.
Heute Morgen brummte mir der Kopf, was sicher am wenigen Schlaf, am Alkohol gestern, an den vielen Zigaretten (das ist wohl das nächste, mit dem ich aufhöre, will mich ja nicht selber vergiften...) und dem langsam aber sicher schmerzhaften Dauerdenken gelegen hat.
Dusche, Rasur, Pflege, Kaffee, Zeitung.
Und es war ein gutes Gefühl, in den Tag hinein zu gehen! Ich freute mich auf den Tag, freute mich, dass ich da bin und wusste, dass es gut werden wird, das es schon gut ist.
Ich will mich nicht mehr so verletzen lassen von mir selber, will nicht mehr wie ein Jammerlappen durch die Welt schreiten, will nicht mehr jederzeit mit den Tränen kämpfen müssen, will mich nicht mehr abhängig machen von Dingen, die ich nicht beeinflussen kann, oder zumindest nicht, wenn ich's vermeiden kann.
Ich will die kleinen Blümchen am Wegrand sehen, will die feinen Winde spüren, will die kleinen Farbnuancen sehen, will die zartesten Düfte riechen und kleinste Oberflächenunterschiede fühlen. Ich will das Leben leben, es geniessen, mich dreingebenn und von ihm leiten lassen. Ich will für mich und für meine Umwelt der xoff sein, der mir selber Spass macht, will Freude spüren und zeigen, will Gefühlen haben und empfangen, will mich und mein Gegenüber wahrnehmen und respektieren und lieben.
Das alles will ich! Ich hätte es nicht einfach gerne, ich will es, denn ich kann es beeinflussen, muss nicht warten, bis es mir jemand gnädigerweise gibt, sondern kann es mir imperativ wünschen und kann es mir auch nehmen.
Diese Einsicht war für mich bahnbrechend, revolutionär und hat vieles von dem, was ich bisher gelebt hatte, auf den Kopf gestellt. Jetzt kann ich mich daran machen, diese Veränderungen umzusetzen und ich freue mich darauf wie ein kleines Kind! Daneben weiss ich, dass es Rückschläge und Misserfolge geben wird, geben muss, aber es ist mir sowas von egal, denn ich weiss jetzt so viel mehr über mich und das Leben, dass ich damit leben kann, dass nicht von einem Tag auf den anderen alles anders wird. Ich muss meine Ungeduld und meine Erwartungen an mich selber relativieren und bewusst zurückschrauben, dessen bin ich mir bewusst, dass diese zum Teil extrem hoch sind und ich sehr schwierig zufrieden zu stellen bin. Gerade von mir selber.
Ich hoffe, Eure Augen und Gehirne nicht allzu stark überbeansprucht zu haben mit meinen Zeilen, aber es musste einfach 'raus!
Euch allen wünsche ich für das WE viel Liebe, Ruhe und Zuversicht
xoff